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Mit der Gesetzesänderung vom 1. Januar 2017 wurde der Kindesunterhalt teilweise neu definiert. Dies führte in erster Linie zu einer vielseitigen Gerichtspraxis in der Schweiz und zu äusserst unterschiedlichen Unterhaltszahlungen in den verschiedenen Kantonen. Viele Eltern wissen deshalb nicht, was bei einer Trennung bzw. einer Scheidung auf sie zukommt. Die finanziellen Faktoren und die durch die Trennung entstehenden Mehrkosten sind für die meisten schwer abzuschätzen. Im folgenden Beitrag werden die Grundzüge des Kindesunterhaltes erläutert und das Vorgehen bei der Berechnung aufgezeigt. Es handelt sich um allgemeine Hinweise. Jeder Einzelfall weist einen individuellen Charakter auf, welcher in einer Unterhaltsberechnung zu berücksichtigen ist.
1. Einleitung
In der Zwischenzeit konnten durch Urteile des Bundesgerichts einige der grösseren Fragen zum Unterhaltsrecht geklärt und die Rechtsprechung zumindest in einem gewissen Mass vereinheitlicht werden. Nach wie vor bestehen aber kantonale Unterschiede, welche bei der Berechnung zu unterschiedlichen Ergebnissen führen können. Ebenfalls ist zu berücksichtigen, dass bei einem gerichtlichen Entscheid dem zuständigen Richter ein erheblicher Ermessensspielraum zusteht, sodass auch bei gleicher Ausgangslage durchaus unterschiedliche Ergebnisse resultieren können.
Gerade aufgrund dieser unklaren Praxis führt die Vereinbarung über die Höhe des Unterhalts oft zu Streit. In diesem Fall wird empfohlen, zur Vermeidung eines strittigen Verfahrens, gemeinsam mit einer Fachperson (z.B. Mediator) eine angemessene Lösung zu suchen.
2. Der Kindesunterhalt
Konkret setzt sich der gebührende Kindesunterhalt aus dem Natural- und dem Geldunterhalt und dieser wiederum aus dem Bar- und dem Betreuungsunterhalt zusammen. Er stellt ein Anspruch des Kindes gegenüber seinen Eltern dar.
Mit dem Naturalunterhalt bezeichnet man den Betreuungsaufwand für das Kind, welcher nicht in die Erwerbszeit fällt. Bei der Berechnung der Unterhaltsbeiträge kann dieser für den betreuenden Elternteil im Rahmen der Prüfung der Leistungsfähigkeit ermessensweise berücksichtigt werden.
Der Barunterhalt dient dazu, die direkten Kinderkosten zu finanzieren. Darin berücksichtigt werden unter anderem Ernährung, Unterkunft, Bekleidung, Krankenkassenprämien, Auslagen für die Schule, Fremdbetreuungskosten und Freizeitbeschäftigungen.
Mit dem Betreuungsunterhalt sind die indirekten Kinderkosten zu decken. Damit gemeint sind die Lebenshaltungskosten, welche der betreuende Elternteil durch die Betreuung der Kinder nicht selbst zu decken vermag.
3. Die konkrete Berechnung des Geldunterhaltes
a. Vorbemerkung
Vorab kann für die durchschnittlichen Kosten eines Kindes auf die Zürcher Kinderkostentabelle vom 1. Januar 2020 verwiesen werden. Darin wird der durchschnittliche Barbedarf von Kindern ausgewiesen. Fremdbetreuungskosten sowie der Betreuungsunterhalt sind darin noch nicht berücksichtigt.
Da eine genaue Bemessung der Ausgaben unter Berücksichtigung sämtlicher Faktoren in der Realität kaum möglich ist, arbeiten die Gerichte mit Pauschalen für die anfallenden Kosten. Sie stützen sich dabei auf die Richtlinien für die Berechnung des betreibungsrechtlichen Existenzminimums nach Art. 93 SchKG.
Sind die finanziellen Mittel knapp, so gilt eine klare Hierarchie. In erster Linie ist das betreibungsrechtliche Existenzminimum des Unterhaltsschuldners zu wahren. Das diesen Betrag übersteigende Einkommen ist in erster Priorität für den Barunterhalt, in zweiter Priorität für den Betreuungsunterhalt und in dritter Priorität für den Ehegattenunterhalt bzw. nachehelichen Unterhalt zu verwenden. Steht nach Deckung dieses Minimalbedarfes noch ein Überschuss zur Verfügung, so ist auch dieser aufzuteilen.
b. Barunterhalt
Der Barunterhalt berechnet sich aus dem Barbedarf des Kindes abzüglich des eigenen Einkommens. Der Barbedarf setzt sich aus folgenden Komponenten zusammen:
Grundbedarf
Gemäss den Richtlinien zur Berechnung des betreibungsrechtlichen Existenzminiums des Kantons Zürich wird bei Kindern ein Grundbedarf von CHF 400.00 bis zum 10. Altersjahr und danach von CHF 600.00 angenommen. Damit abgedeckt sind Ausgaben für Nahrung, Kleider, Essen und Körperpflege.
Wohnkosten
Zu berücksichtigen sind dabei die Wohnkosten, die anfallen, da für die Kinder eine adäquate Wohnung zur Verfügung zu stellen ist. Das bedeutet, dass diese Kosten nicht nur bei der hauptbetreuenden, sondern richtigerweise auch bei der nebenbetreuenden Partei zu berücksichtigen sind.
Als Berechnungshilfe kann das Modell «grosse und kleine Köpfe» angewandt werden. Danach sind die Kosten der Kinder halb so stark zu berücksichtigen wie diejenigen der Erwachsenen (z.B: 1 Erwachsener [2/3] und 1 Kind [1/3] aber 2 Erwachsene [je 2/5] und 1 Kind [1/5]).
In der Unterhaltsberechnung werden die Wohnkostenanteile der Kinder von den gesamten Mietzinsen (inkl. Nebenkosten) des jeweiligen Elternteils abgezogen.
Gesundheitskosten
In erster Linie sind hier die monatlichen Prämien der Krankenkasse (KVG, bei guten finanziellen Verhältnissen inkl. VVG) zu berücksichtigen. Darüber hinaus können auch nicht gedeckte und wiederkehrende zusätzliche Gesundheitskosten berücksichtigt werden, soweit diese ausgewiesen sind.
Fremdbetreuung
Werden die Kinder fremdbetreut, damit die hauptbetreuende Partei einer Erwerbstätigkeit nachgehen kann, so sind diese Fremdbetreuungskosten ebenfalls zu berücksichtigen.
Steuern
Gemäss Leitfaden des Obergerichts des Kantons Zürich sollen die Steuern bei den Kindern nicht berücksichtigt werden. Dies mit der Begründung, dass eine genaue Berechnung kaum möglich wäre und zudem das Steuersubjekt die erwachsene Person und nicht das Kind sei.
Die Literatur vertritt eine andere Meinung. Der Kindesunterhalt wird beim berechtigten Elternteil als Einkommen angerechnet und führt deswegen zu einer höheren Steuerbelastung. Je nach Ausgestaltung des Unterhaltes könne dies zu einer Doppelbelastung des berechtigten Ehegatten führen, sodass die Steuern im Unterhalt des Kindes zu berücksichtigen seien. Diesen Punkt sollten Sie mit Ihrem Anwalt besprechen.
Verschiedenes
Darunter fallen z.B. die besonderen Auslagen für die Schulung der Kinder (Schulgeld, Schulmaterial, Fahrkosten etc.).
In besseren finanziellen Verhältnissen kann der Barunterhalt um weitere Positionen (Freizeitbeschäftigung, Ferien etc.) erweitert werden.
Einkommen des Kindes
Vom Barbedarf in Abzug gebracht werden müssen die erhaltenen Familienzulagen, sowie in angemessenem Umfang ein Lehrlingslohn oder andere Einkünfte.
c. Betreuungsunterhalt
Verbleibt dem Unterhaltsschuldner nach Deckung seines Existenzminimums und nach Leistung des Barunterhaltes ein Überschuss, so ist damit der Betreuungsunterhalt zu decken. Der Betreuungsunterhalt berechnet sich nach dem Lebenshaltungskostenmodell (Urteil des Bundesgerichts vom 17. Mai 2018, BGer 5A_454/2018). Die Lebenshaltungskosten ergeben sich aus dem familienrechtlichen Notbedarf des betreuenden Elternteils.
Es ist also in einem ersten Schritt der Bedarf der betreuenden Partei zu berechnen. Dies erfolgt wiederum aufgrund der Richtlinien für die Berechnung des betreibungsrechtlichen Existenzminimums nach Art. 93 SchKG. Bei guten finanziellen Verhältnissen darf auch hier der Bedarf wieder um gewisse Bedarfsposten (VVG, Steuern) erweitert werden.
Vom Bedarf ist das erzielte Einkommen der betreuenden Partei abzuziehen (Sozialhilfeleistungen und Ergänzungsleistungen stellen kein Einkommen dar). Die Frage, in welchem Umfang denn die hauptbetreuende Partei überhaupt verpflichtet bzw. es ihr zumutbar ist, ein eigenes Einkommen zu erzielen wurde durch das Bundesgerichtsurteil vom 21. September 2018, BGer 5A_384/2018 festgelegt. Danach gilt das Schulstufenmodell. Der hauptbetreuende Elternteil muss demnach ab der obligatorischen Einschulung des jüngsten Kindes grundsätzlich zu 50% eine Erwerbsarbeit ausüben, ab dessen Eintritt in die Sekundarstufe zu 80% und ab seinem vollendeten 16. Lebensjahr zu 100%. Davon kann im Einzelfall aus zureichenden Gründen abgewichen werden.
Hat die betreuende Partei aufgrund der Kinderbetreuung gar nicht gearbeitet, so gilt nach bundesgerichtlicher Rechtsprechung, dass eine Wiederaufnahme der beruflichen Tätigkeit nicht zumutbar ist, wenn im Zeitpunkt der Trennung das 45. Altersjahr erreicht wurde. Es besteht allerdings eine Tendenz, diese Altersgrenze auf 50 anzuheben.
Die Differenz zwischen den Lebenshaltungskosten und dem eigenen Einkommen stellt den Betreuungsunterhalt dar.
d. Überschussverteilung
Verbleibt selbst nach Leistung des Betreuungsunterhaltes und des Ehegattenunterhaltes bzw. nachehelichen Unterhaltes noch ein Überschuss des Unterhaltsschuldners, so ist dieser auf die Ehegatten bzw. die gemeinsamen Kinder zu verteilen. Bei nichtverheirateten Eltern erfolgt keine Zusprechung des Überschussanteiles an den betreuenden Elternteil.
Der Überschuss wird in der Praxis unterschiedlich verteilt. Einige Gerichte verwenden die Methode «grosse Köpfe, kleine Köpfe» während andere nach Prozenten (pro Kind zwischen 10-30%) verteilen. Die Entscheide richten sich dabei nach dem Einzelfall.
4. Unterhaltszahlung
Oft stellt sich die Frage, wer denn nun für welchen Teil des Unterhaltes aufzukommen hat. Grundsätzlich gilt, dass der Unterhalt von demjenigen Elternteil zu tragen ist, welcher das Kind nicht oder nicht wesentlich betreut. Dabei wurde vom Bundesgericht die Betreuung an zwei von drei Wochenenden als nicht wesentlich eingestuft (Urteil des Bundesgerichts vom 22. August 2019, BGer 5A_727/2018).
Wird die Kinderbetreuung jedoch gleichmässiger aufgeteilt, so ist bei der Aufteilung des Unterhaltes nebst den Betreuungsanteilen auch die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit zu berücksichtigen. In diesen Fällen erfolgt eine Aufteilung der Unterhaltspflicht aufgrund des Einzelfalles und im Streitfall nach Ermessen des Richters.
5. Fazit
Wir empfehlen den Parteien, sich bei Unstimmigkeiten bezüglich der Unterhaltszahlungen mittels Trennungs- oder Scheidungskonvention zu einigen.
Sollten Sie Fragen zum Einzelfall haben oder eine Beratung benötigen, so stehen Ihnen die Experten von Legal Partners Zurich gerne bei der Berechnung des angemessenen Unterhaltes oder der Ausarbeitung einer Trennungs- und Scheidungskonvention zur Verfügung.