Neue Regeln im Strassenverkehrsrecht

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Am 1. Januar 2021 traten diverse neue Verkehrsregeln in Kraft, welche die Sicherheit erhöhen und den Verkehrsablauf flüssiger machen sollen. Auch bei den Führerausweisregelungen gibt es Neuigkeiten. Hier finden Sie einen Überblick über die wichtigsten neuen Verkehrsregeln.

 

1. Reissverschlussprinzip

Wenn eine Fahrspur abgebaut werden muss, ist das Reissverschlusssystem neu obligatorisch. Jeder Verkehrsteilnehmer soll beispielsweise beim Wechsel von drei auf zwei Fahrspuren, bei Unfällen oder bei Baustellen bis zum Ende der Spur fahren und dort erst einfädeln. Jeder Automobilist muss ein Fahrzeug von der abgebauten Spur einschwenken lassen. Damit soll verhindert werden, dass bei Spurabbauten zu früh auf die verbleibende Spur gewechselt wird und so der Verkehrsfluss behindert wird. Erzwingen darf der einfädelnde Automobilist die Lücke allerdings nicht, denn er hat weiterhin keinen Vortritt.

Neu gilt das Reissverschlusssystem bei stockendem Verkehr auch bei Autobahneinfahrten. Das Nichtbeachten des Reissverschlussprinzips wird mit einer Ordnungsbusse geahndet (Art. 8 Abs. 5 VRV und Art. 36 Abs. 4 VRV / OBV Ziff. 306).

2. Rettungsgasse

Bei Stau auf Autobahnen muss neu eine Rettungsgasse für Einsatzfahrzeuge freigehalten werden; dies bereits dann, wenn sich der Verkehr nur noch mit Schrittgeschwindigkeit bewegt. Das gilt auch, wenn kein Blaulichtfahrzeug zu sehen oder zu hören ist. Bei zweispurigen Strassen ist die Rettungsgasse zwischen den beiden Spuren zu bilden, bei dreispurigen Strassen immer zwischen dem linken und dem mittleren Fahrstreifen. Das Nichtbeachten der Rettungsgasse wird ebenfalls mit einer Ordnungsbusse geahndet (Art. 36 Abs. 7 VRV / OBV Ziff. 328).

3. Rechtsvorbeifahren

Neu dürfen Automobilisten bei Kolonnenverkehr[1] (welcher sich auf dem linken oder mittleren Fahrstreifen bildet) auf der rechten Spur mit der nötigen Vorsicht vorbeifahren, auch wenn sich rechts noch keine Kolonne gebildet hat. Das klassische Rechtsüberholen (Ausschwenken auf den rechten Fahrstreifen und Wiedereinschwenken nach links) ist hingegen weiterhin verboten und wird neu mit einer Ordnungsbusse von CHF 250.00 geahndet (Art. 36 Abs. 5 VRV / OBV Ziff. 314).

4. Rechtsabbiegen bei Rot für Velo und Mofa

Rad- und Mofafahrende dürfen neu an Ampeln bei Rot rechts abbiegen, sofern dies mit einer Tafel mit einem gelben Velo und einem Pfeil signalisiert ist. Fussgängerinnen und Fussgänger haben nach wie vor Vortritt. Wenn bei einer Ampel nichts signalisiert ist, gilt Rot auch für Velos und Mofas (Art. 69a Abs. 1 SSV).

5. Primarschulkinder mit Velo auf Trottoir

Bisher durften nur Kindergartenkinder mit Fahrrädern das Trottoir benutzen. Neu dürfen dies auch Kinder bis 12 Jahre - allerdings nur, wenn kein Radweg oder Radstreifen vorhanden ist. Fussgängerinnen und Fussgänger haben nach wie vor Vortritt (Art. 41 Abs. 4 VRV).

6. Automatisches Einparkieren

Moderne Fahrzeuge verfügen teilweise über Systeme, die das Einparkieren ohne Lenken des Fahrers ermöglichen. Neu dürfen die Fahrer nicht nur das Lenkrad loslassen, sondern sogar aussteigen, während das Auto selbständig einparkiert. Jedoch trägt der Fahrer zu jedem Zeitpunkt die Verantwortung für sein Fahrzeug und muss in der Lage sein, einzugreifen, falls das System versagt (Art. 3 Abs. 3bis VRV).

7. 100km/h für leichte Anhängerzüge

Wer mit Personen- oder Lieferwagen einen Anhänger zieht, darf auf Autobahnen neu höchstens mit 100 km/h nicht wie bisher mit 80 km/h fahren. Der Anhänger darf nicht schwerer als 3,5 Tonnen sein und muss für diese Geschwindigkeit geeignet sein. Dasselbe gilt auch für das Zugfahrzeug und die Reifen (Art. 5 Abs. 2 lit. c VRV).

8. Kostenpflichtige Parkplätze für E-Bikes

Motorfahrräder und E-Bikes mit elektrischer Unterstützung bis 45 km/h werden neu beim Parkieren gleichbehandelt wie Motorräder und können auf kostenpflichtige Parkplätze verwiesen werden (OBV Ziff. 622).

9. Für Motorradfahrer: Kein Direkteinstieg mehr in die unbeschränkte Kategorie A

Wer die leistungsstärksten Motorräder fahren will, muss künftig zuerst mindestens zwei Jahre ein auf 35 kW beschränktes Motorrad der Kategorie A fahren. Der Direkteinstieg in die stärkeren Motorradkategorien ist in Zukunft nur noch für Personen möglich, die berufsmässig auf das Führen solcher Motorräder angewiesen sind: Motorradmechaniker, Polizisten und Verkehrsexperten.

10. Lernfahrten ab 17 Jahren

Künftig gilt, dass wer den Lernfahrausweis für Personenwagen vor dem zurückgelegten 20. Altersjahr erwerben will, eine Lernphase von zwölf Monaten durchlaufen muss. Damit die Führerprüfung trotz der einjährigen Lernphase mit 18 absolviert werden kann, darf der Lernfahrausweis bereits im Alter von 17 Jahren erteilt werden. Für Personen, die den Lernfahrausweis nach dem 20. Geburtstag erwerben, gilt diese zwölfmonatige Lernphase nicht.

11. Weitergehende Beratung

Sollten Sie Fragen zum Einzelfall haben oder eine Beratung benötigen, so stehen Ihnen die Experten von Legal Partners Zurich gerne zur Verfügung.

[1] Kolonnenverkehr ist gemäss bundesgerichtlicher Rechtsprechung anhand der konkreten Verkehrssituation zu bestimmen. Paralleler Kolonnenverkehr ist bereits dann anzunehmen, wenn es auf der linken (und mittleren) Überholspur zu einer derartigen Verkehrsverdichtung kommt, dass Fahrzeuge auf der Überholspur faktisch nicht mehr schneller vorankommen als diejenigen auf der Normalspur (BGE 142 IV 93, E. 4.2.1).