Teilrevision des Kartellgesetzes: Die wesentlichen Neuerungen

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Der Bundesrat hat am 24. Mai 2023 die Botschaft zur Teilrevision des Schweizer Kartellgesetzes verabschiedet. Die vorgeschlagene Teilrevision bezweckt die Stärkung des Wettbewerbsrechts und die Beschleunigung der kartellrechtlichen Verfahren. Im Rahmen der Teilrevision werden Neuerungen an der Zusammenschlusskontrolle vorgenommen sowie das Kartellzivilrecht gestärkt und das Widerspruchsverfahren verbessert. Zahlreiche parlamentarische Vorstösse werden ebenfalls umgesetzt.

1. Was beinhaltet die Modernisierung der Zusammenschlusskontrolle?

Das Kernelement der Revision des Schweizer Kartellgesetzes ist die Modernisierung der Zusammenschlusskontrolle. Die Anpassung an die internationale Praxis erfolgt durch den Wechsel des Prüfstandards vom heutigen qualifizierten Marktbeherrschungstest zum "Significant Impediment to Effective Competition"-Test (SIEC-Test). Durch die Einführung des SIEC-Tests werden eine Senkung der Eingriffsschwelle und eine bessere Berücksichtigung von Effizienzvorteilen erreicht.

2. Was bedeutet die Berücksichtigung der Effizienzvorteile im Zusammenhang mit der Zusammenschlusskontrolle?

Die Berücksichtigung von Effizienzvorteilen im Rahmen der Zusammenschlusskontrolle bedeutet, dass beispielsweise Verbesserungen bei Produkten nach einem Zusammenschluss oder die Kosteneinsparungen durch Synergien in Betracht gezogen werden. Solche Vorteile können nun umfassender geprüft werden, sofern sie spezifisch durch den Zusammenschluss bewirkt werden und überprüfbar sind.

3. Was vereinfacht sich beim Meldeverfahren bei internationalen Zusammenschlüssen?

Der Meldeprozess für internationale Zusammenschlüsse wird vereinfacht, sofern alle sachlich betroffenen Märkte, einschliesslich der Schweiz und des EWR, vom Zusammenschluss erfasst werden und die Europäische Kommission das Vorhaben prüft. In einem solchen Fall kann es sein, dass ein separates Meldeverfahren bei der Wettbewerbskommission der Schweiz (WEKO) nicht mehr erforderlich ist und die EU-Meldung bei der WEKO einreicht werden kann.

 

4. Wie wird das Kartellzivilrecht gestärkt?

Das Kartellzivilrecht wird auf mehreren Ebenen gestärkt. Zunächst sollen alle von unzulässigen Wettbewerbsbeschränkungen betroffenen Parteien, einschliesslich Konsumentinnen und Konsumenten und die öffentliche Hand, Zivilklage einreichen können.

Darüber hinaus werden eine Verjährungshemmung von zivilrechtlichen Ansprüchen aus unzulässiger Wettbewerbsbeschränkung bis zu einem rechtskräftigen Entscheid der WEKO sowie ein Anspruch auf Feststellung einer unzulässigen Wettbewerbsbeschränkung eingeführt.

Ausserdem wird vorgesehen, dass freiwillige Wiedergutmachungen gegenüber Geschädigten bei einer Verwaltungssanktion auch nachträglich belastungsmindernd berücksichtigt werden können.

Durch diese Massnahmen können Unternehmen möglicherweise in Zukunft mit mehr Kartellzivilansprüchen konfrontiert werden.

 

5. Was verändert sich hinsichtlich des Widerspruchverfahrens?

Das Widerspruchsverfahren erlaubt eine Vorabprüfung von möglicherweise kartellrechtswidrigen Verhaltensweisen durch die WEKO und dient so der Rechtssicherheit.

Durch die Teilrevision wird dieses Verfahren gestärkt und praxistauglicher ausgestaltet. Erstens erlischt das direkte Sanktionsrisiko für Unternehmen hinsichtlich der gemeldeten Verhaltensweise endgültig, wenn die Wettbewerbsbehörden innert der Widerspruchsfrist keine Untersuchung eröffnen. Zweitens wird die Widerspruchsfrist von fünf auf zwei Monate verkürzt. Somit wird das verkürzte Widerspruchsverfahren eine schnellere Rechtssicherheit bieten.

 

6. Was bedeutet die Erweiterung der Untersuchungsmassnahmen auf Personendurchsuchungen?

Die Teilrevision sieht eine massvolle Erweiterung der Untersuchungsmassnahmen auf die Anordnung von Personendurchsuchungen vor.

Diese Erweiterung steht im Zusammenhang mit der Tatsache, dass in der Praxis Mitarbeitende von Unternehmen, die von einer Hausdurchsuchung betroffen sind, versucht sein können, potenzielle Beweismittel an sich zu nehmen und auf der eigenen Person zu verstecken.

Die Erweiterung ermöglicht es daher den Wettbewerbsbehörden, auch Gegenstände, die nicht klar den Räumlichkeiten zugeordnet werden können, wie z.B. Fahrzeuge, zu durchsuchen.

 

7. Wie werden die kartellrechtlichen Verfahren beschleunigt?

Um der Problematik der sehr langen Verfahrensdauer von kartellrechtlichen Verfahren entgegenzuwirken, werden Ordnungsfristen eingeführt. Von der Gesamtdauer von 60 Monaten (ab Eröffnung der Untersuchung der WEKO) entfallen 30 Monate auf die WEKO, 18 Monate auf das Bundesverwaltungsgericht und 12 Monate auf das Bundesgericht.

Ausserdem wird den Unternehmen je nach Ausgang des erstinstanzlichen Verfahrens die Möglichkeit gegeben, für ihre Aufwendungen entschädigt zu werden, sofern das Untersuchungsverfahren durch die Wettbewerbsbehörden ohne Folgen ganz oder teilweise eingestellt wurde.

Diese Regelungen sollen insbesondere die Situation von KMUs in kartellrechtlichen Verfahren verbessern. 

 

8. Wie werden qualitative und quantitative Kriterien berücksichtigt?

Bei der Prüfung der Erheblichkeit einer Wettbewerbsabrede werden zukünftig wieder quantitative und qualitative Kriterien berücksichtigt. Durch die Berücksichtigung quantitativer Elemente (wie beispielsweise Marktanteile, Umsätze oder Markteintritte bzw. Marktaustritte) soll die faktische Rechtslage vor dem Entscheid des Bundesgerichts in Sachen Gaba (BGE 143 II 297 vom 28. Juni 2016) wiederhergestellt werden.

Somit wird zukünftig bei harten Wettbewerbsabreden, d.h. bei horizontalen Preis-, Mengen- und Gebietsabreden sowie bei vertikalen Preisbindungen und absolutem Gebietsschutz, eine Prüfung von quantitativen Elementen erforderlich sein.

9. Welche Grundsätze sollen im Kartellgesetz gestärkt werden?

Die Umsetzung einer parlamentarischen Motion bezweckt, verschiedene verfahrens- und materiell-rechtliche Grundsätze im Kartellgesetz zu stärken, die bereits im aktuellen Recht gelten.

Im Vordergrund stehen dabei der Untersuchungsgrundsatz, die Unschuldsvermutung und die Beweislast zu Lasten des Staates. Durch die Umsetzung der Motion werden neue Bestimmungen eingeführt, welche jedoch mehrheitlich deklaratorischen Charakter haben.

 

10. Ausblick

Die Vorlage zur Teilrevision des Kartellgesetzes geht nun in die parlamentarische Beratung. Das revidierte Kartellgesetz wird voraussichtlich nicht vor dem Jahr 2025 in Kraft treten.

Die aktuellen Neuerungen beinhaltet zahlreiche Elemente, die das Schweizer Kartellrecht stärken und kartellrechtliche Verfahren beschleunigen. Das Kartellgesetz soll damit den Anforderungen der sich ständig wandelnden Wirtschaft besser gerecht werden und die Wettbewerbsbehörden in die Lage versetzen, kartellrechtliche Probleme schneller zu lösen.

 

Wenn Sie weitere Fragen zu kartellrechtlichen Problemstellungen haben, beraten wir Sie gerne persönlich.

  

Unsere Experten:

Dr. iur. Seraina Denoth