Beitrag als pdf
Die Coronavirus-Pandemie ist zurzeit das Tagesthema in den Medien, am Arbeitsplatz, zu Hause. Etappenweise stufte der Bundesrat die Situation in der Schweiz von einer «besonderen Lage» bis zur «ausserordentlichen Lage» hinauf, in welcher nun alle Läden, Restaurants und Bars sowie Unterhaltungs- und Freizeitbetriebe bis (vorerst) am 19. April 2020 geschlossen bleiben müssen. Fast täglich erreichen uns neue Massnahmen, die erlassen wurden. Die Auswirkungen dieser Pandemie gehen weit über den gesundheitlichen Sektor hinaus. Es stellen sich in diesem Zusammenhang diverse rechtliche Fragen. Viele dieser Fragen lassen sich weder kurz zusammenfassen noch eindeutig beantworten, da es sich bei einer Pandemie um eine Ausnahmesituation handelt, die in diesem Ausmass noch nie da war. Nachfolgend möchten wir Ihnen einen Überblick über die wichtigsten arbeitsrechtlichen Themen geben. Für weitere Fragen stehen wir Ihnen gerne zur Verfügung.
1. Fürsorgepflicht
Gemäss Art. 328 OR hat der Arbeitgeber gegenüber seinen Angestellten eine Fürsorgepflicht, welche in Art. 6 ArG in Bezug auf den Gesundheitsschutz konkretisiert wird. Dieser Fürsorgepflicht kann er unter anderem in Form von Weisungen nach Art. 321d OR nachkommen (z.B. Weisung zum Verbot von Händeschütteln). Gleichzeitig hat der Arbeitnehmer diesbezüglich ein Mitspracherecht (Art. 6 Abs. 3 ARG) und nach Art. 321a OR eine Treuepflicht gegenüber dem Arbeitgeber. Aufgrund seiner Treuepflicht ist der Arbeitnehmer zum Beispiel verpflichtet, den Arbeitgeber über Erkrankungen im unmittelbaren Umfeld zu informieren.
2. Wann muss der Arbeitgeber den Lohn weiterzahlen und wann nicht?
Grundsätzlich wird für die erbrachte Arbeit ein Lohn entrichtet. Entfällt die Arbeit, so ist auch kein Lohn geschuldet. Das Arbeitsrecht sieht aber in Art. 324 OR und Art. 324a OR eine Ausnahme von diesem Grundprinzip vor. Kann die Arbeit infolge Verschuldens des Arbeitgebers nicht geleistet werden, so bleibt er zur Entrichtung des Lohnes verpflichtet (Art. 324 OR). Ebenfalls Anspruch auf Lohnfortzahlung, wenn auch nur für eine beschränkte Zeit, hat der Arbeitnehmer, wenn er aus Gründen, die in seiner Person liegen (wie z.B. Krankheit) ohne sein Verschulden an der Arbeitsleistung verhindert ist (Art. 324a OR).
Lohnfortzahlung bei Erkrankung:
- Erkrankt der Mitarbeiter oder weist er selbst Symptome des Virus auf, so gilt die Lohnfortzahlungspflicht des Arbeitgebers für eine angemessene Zeit (es gelten die Zürcher-, Berner- und Basler-Skalen) (Art. 324a Abs. 1 OR).
- Bleibt der Arbeitnehmer aufgrund der Warnhinweise des Bundesrates auf eigene Initiative zu Hause, ohne dass dies behördlich angeordnet wurde, so handelt es sich um unbegründete Arbeitsverweigerung, wodurch der Lohnanspruch entfällt. Möchte der Arbeitnehmer dennoch zu Hause bleiben, sollte dies unbedingt mit dem Arbeitgeber abgesprochen und so vereinbart werden, ansonsten disziplinarische Massnahmen (bis hin zur fristlosen Kündigung) ergriffen werden könnten. Einziger Grund für eine gerechtfertigte Verweigerung liegt vor, wenn der Arbeitgeber seiner Fürsorgepflicht nicht nachkommt.
- Erkrankt ein Kind des Arbeitnehmers so kann er aufgrund seiner gesetzlichen Betreuungspflicht während einer beschränkten Zeit (nach Art. 36 Abs. 3 ArG sind es 3 Tage) zu Hause bleiben, um die Betreuung sicherzustellen.
Lohnfortzahlung nach Rückkehr einer Reise:
- Kann ein Mitarbeiter aufgrund einer erlassenen Reisesperre nicht mehr von einer Geschäftsreise zurückkehren, so ist der Lohn weiterhin geschuldet.
- Kann der Arbeitnehmer aufgrund einer Aus- bzw. Einreisesperre nicht aus den Ferien zurückkehren, ist kein Lohn geschuldet.
Lohnfortzahlung bei Einstellung des öffentlichen Verkehrs:
- Aktuell wird der öffentliche Verkehr weiterhin sichergestellt. Wird dem Arbeitnehmer durch eine weitere Einschränkung des öffentlichen Verkehrs die Erreichung des Arbeitsortes verunmöglicht, besteht für den Arbeitgeber keine Lohnfortzahlungspflicht.
Lohnfortzahlung bei Schliessung des Betriebs
- Stellt der Arbeitgeber den Betrieb aufgrund der schlechten Auftragslage oder als Vorsichtsmassnahme vorübergehend ein, ist er weiterhin verpflichtet, den Lohn auszurichten. Aufgrund der aktuellen Situation besteht aber unter Umständen die Möglichkeit, eine Kurzarbeitsentschädigung zu beantragen.
- Wird der Betrieb aufgrund einer behördlichen Anweisung geschlossen, ist die Rechtslage nicht eindeutig. Während einige von einer grundsätzlichen Lohnfortzahlungspflicht ausgehen, stützen sich andere auf die allgemeinen Verzugsregeln nach Art. 119 OR, womit nach dem Grundsatz «ohne Arbeit kein Lohn» der Arbeitgeber keinen Lohn zu zahlen hätte. Ist von einer Lohnfortzahlungspflicht auszugehen, kann die «verpasste Arbeitszeit» nachgefordert werden. Auch hier wird dem Arbeitgeber empfohlen, die Möglichkeit der Kurzarbeitsentschädgigung zu prüfen, um die weiterlaufenden Lohnkosten zu ersetzen.
Lohnfortzahlung im Fall von Quarantäne:
- Stellt sich ein Arbeitnehmer selbst unter Quarantäne besteht keine Lohnfortzahlungspflicht.
- Wird die Quarantäne vom Arbeitgeber angeordnet, besteht eine Lohnfortzahlungspflicht.
- Ist eine Person nicht krank, steht sie jedoch unter dem Verdacht, krank oder ansteckungsfähig zu sein, so kann sie unter behördliche Quarantäne gestellt werden. Hier liegt der Grund für die Arbeitsunfähigkeit unseres Erachtens in den persönlichen Verhältnissen des Arbeitnehmers, womit die Lohnfortzahlungspflicht gegeben ist.
- Stellt der Staat hingegen ganze Gebiete unter Quarantäne, so handelt es sich weder um eine durch den Arbeitnehmer persönlich begründete Arbeitsunfähigkeit noch um einen in der Person des Arbeitgebers liegenden Annahmeverzug, sodass nach dem Grundsatz «ohne Arbeit kein Lohn» keine Lohnfortzahlungspflicht besteht. Zu prüfen wäre, ob eine Entschädigung nach Art. 63 des Epidemiengesetzes möglich ist.
3. Wo kann ich mich über den aktuellen Stand informieren
Das Bundesamt für Gesundheit (BAG) informiert auf seiner Website fortlaufend über die Situation. Für arbeitsrechtliche Fragen hilft auch das Staatssekretariat für Wirtschaft (SECO) weiter. Bei Fragen zum Einzelfall stehen die Arbeitsrechtsexperten von Legal Partners Zurich zur Verfügung.