Verzeigung nach Polizeikontrolle! Und jetzt?

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Im Alltag, etwa im Strassenverkehr, kann es jedem passieren, dass er von der Polizei kontrolliert wird. Im Normalfall hat die Polizei nichts zu beanstanden. Wird aber ein Verstoss gegen das Gesetz festgestellt, erhalten Sie entweder eine Ordnungsbusse oder Sie werden vom Polizisten oder der Polizistin über eine Verzeigung bzw. Rapporterstattung an die zuständige Behörde informiert. Danach ist die Wahrscheinlichkeit gross, dass Sie direkt mit einem Strafbefehl bestraft werden, welcher Ihnen in der Regel einige Monate nach der Kontrolle eingeschrieben per Post zugestellt wird. Doch was bedeutet das alles und was gilt es dabei zu beachten?

1. Polizeikontrolle!

Unerwartet und oft im dümmsten Moment: Auf der Autobahn sehen Sie vor Ihnen den Schriftzug «Polizei Bitte Folgen» aufleuchten. Sie haben einen Unfall mit Blechschaden. Sie werden beim Konsum von Drogen erwischt. Ihr Hund reisst aus und beisst jemanden. Oder eine an Sie adressierte Postsendung bleibt beim Zoll hängen. So oder ähnlich beginnen im Alltag viele Strafverfahren, welche schnell kompliziert und juristisch werden können.

 Geraten Sie in eine solche Situation, sollten Sie durchatmen und Ruhe bewahren. Es empfiehlt sich, freundlich zu bleiben. Bedenken Sie aber, dass alles, was Sie bereits bei der Polizeikontrolle sagen, später in einem schriftlichen Rapport stehen kann. Sie haben deshalb immer und von Anfang an das Recht, auf die Fragen des Polizisten oder der Polizistin nicht zu antworten. Ansonsten besteht die Gefahr, dass Sie sich selbst belasten. Da wir im Kontakt mit anderen Menschen nicht negativ auffallen möchten, fällt vielen von uns schwer, nichts zu sagen. Doch genau dieses Recht gibt Ihnen das Gesetz. Und wer verzichtet schon gerne auf ein Recht, welches ihm zusteht?

 Findet die Polizei, dass Sie gegen ein Gesetz verstossen und sich strafbar gemacht haben, werden Sie bei alltäglichen, kleineren Verstössen kaum auf den Polizeiposten gebracht. Und wenn doch: Bleiben Sie ruhig und verlangen Sie unverzüglich eine Anwältin oder einen Anwalt. Die Polizei muss Ihnen auf Verlangen von Gesetzes wegen einen unabhängigen Verteidiger oder eine unabhängige Verteidigerin organisieren, welche nur für Ihre Interessen einsteht. Sagen Sie weiterhin nichts, bevor Sie sich nicht mit Ihrer Anwältin bzw. Ihrem Anwalt besprechen konnten.

 In allen anderen Fällen (und das ist zum Glück der Normalfall) wird Ihnen die Polizei vor Ort entweder eine Ordnungsbusse ausstellen oder mitteilen, dass eine Verzeigung oder eine Rapporterstattung an die zuständige Behörde erfolgt. Im Kanton Zürich sind das die Staatsanwaltschaft, das Statthalteramt und das Stadtrichteramt.

 

2. Verzeigung: Was heisst das?

Nach der Kontrolle verfasst die Polizei einen schriftlichen Rapport, in dem die Kontrolle aus Sicht der Polizei mit Text und Bildern dokumentiert wird. Darin befinden sich auch Ihre Aussagen gegenüber der Polizei, wenn Sie solche gemacht haben. Dieser Rapport hat im späteren Verfahren grosses Gewicht und ist für die Staatsanwaltschaft und das Gericht ein wichtiges Dokument. Je mehr Sie sich bei der Kontrolle der Polizei gegenüber äussern, desto grösser ist die Gefahr, sich selbst zu belasten. Ebenso besteht das Risiko, dass die Polizei – ohne böse Absicht – ungenau rapportiert. Doch könnte dies später zu Ihrem Nachteil sein.

 Der Rapport wird danach an die Staatsanwaltschaft oder das zuständige Amt weitergeleitet. Anders gesagt werden Sie «zuhanden der zuständigen Behörde verzeigt» bzw. «erfolgt eine Rapporterstattung zuhanden der zuständigen Behörde». Verzeigen meint also Informieren der Staatsanwaltschaft über die Polizeikontrolle und die Ihnen vorgeworfene angebliche Straftat. Dies geschieht mit dem erwähnten Rapport.

 Nach der Mitteilung einer Verzeigung oder Rapporterstattung ist es wahrscheinlich, dass die zuständige Strafbehörde gegen Sie ein Strafverfahren eröffnet. Leider erfahren Sie meistens nicht, ob oder wann dies geschieht. Im Rapport findet sich jeweils der Passus, dass die Rapporterstattung oder Verzeigung «eröffnet» wurde. Gemeint ist, dass Ihnen die Polizei mitgeteilt hat, dass diese mit einem Rapport die Staatsanwaltschaft informieren wird. Dies genügt bereits, damit man Ihnen unterstellen darf, Sie hätten von einem noch nicht einmal eröffneten Strafverfahren Kenntnis. Dies hat unter Umständen erhebliche Konsequenzen.

 

3. Das «Strafverfahren»

Strafverfahren sollen nach dem Willen des Parlaments möglichst effizient sein. Das hat zur Folge, dass über 90 % aller Strafverfahren in der Schweiz, in welchen es zu einer Bestrafung kommt, mit einem sogenannten Strafbefehl erledigt werden. Der Strafbefehl ist eine Art von Urteilsvorschlag, mit welchem Sie mit einer Busse, einer Geldstrafe oder sogar mit Gefängnis bis zu 6 Monaten bestraft werden können.

 Die Staatsanwaltschaft, das Statthalteramt oder das Stadtrichteramt können einen solchen Strafbefehl allerdings bereits dann erlassen, wenn sie nach Durchsicht des Polizeirapports und dem Bezug weiterer Akten der Meinung sind, dass Sie den von der Polizei festgestellten angeblichen Gesetzesverstoss begangen haben. In den meisten Fällen enthält ein Polizeirapport bereits alle Informationen, welche die Strafbehörde für diese Einschätzung benötigt. Aus diesem Grund ist die Wahrscheinlichkeit hoch, dass die Staatsanwaltschaft Sie mit einem Strafbefehl bestrafen wird, ohne Ihnen jemals die Möglichkeit gegeben zu haben, Ihre Sicht der Dinge erklären zu können.

 

4. Strafbefehl erhalten… und nun?

Sie erhalten darauf per Post einen eingeschriebenen Brief mit dem Strafbefehl. Sind Sie mit dem Strafbefehl nicht einverstanden, haben Sie nach Erhalt des Briefes 10 Tage Zeit, um eine Einsprache dagegen zu erheben. Verpassen Sie diese Frist, werden Sie definitiv bestraft. Eine gerichtliche Überprüfung ist dann nicht mehr möglich. Im Regelfall wird Sie die Strafbehörde erst nach einer Einsprache zu einer Einvernahme vorladen, an der Sie sich zum Vorwurf äussern können.

 Dabei gibt es nur ein praktisches Problem. Von der Strafbehörde müssen Sie nicht darüber informiert werden, wann oder ob Sie mit einem Strafbefehl zu rechnen haben. Nicht selten liegen Monate zwischen der Polizeikontrolle und einer eingeschriebenen Sendung. Kann Ihnen die Post den Brief jedoch nicht direkt aushändigen, hinterlässt Sie eine Abholungs­einladung mit einer Abholfrist von 7 Tagen. Holen Sie den Brief auf der Post nicht ab, wird er retourniert. Da im Rapport allerdings dokumentiert ist, dass man Ihnen die Verzeigung eröffnet hat und Sie deshalb mit der Zustellung des Strafbefehls rechnen mussten, kann die Einsprachefrist ohne Ihre Kenntnis zu laufen beginnen (sogenannte Zustellfiktion; BGE 146 IV 30). Ist die Frist von 10 Tagen abgelaufen, ist eine Einsprache gegen den Strafbefehl in der Regel aussichtslos. Sie müssen im schlechtesten Fall eine Strafe akzeptieren, ohne je die Möglichkeit gehabt zu haben, sich dagegen zu wehren. Diese Zustellfiktion gilt aber nicht unbeschränkt. Das Bundesgericht geht je nach Einzelfall von einer maximalen Dauer zwischen 6 Monaten und einem Jahr aus (BGer 6B_674/2019), in welcher mit der Zustellung eines Strafbefehls gerechnet werden muss. Danach darf diese Regel nicht mehr zur Anwendung kommen.

 Trotzdem gilt: Wurde Ihnen von der Polizei eine Rapporterstattung oder Verzeigung angedroht, sollten Sie darum besorgt sein, dass Sie eingeschriebene Post jederzeit empfangen können. Wenn Sie einen Strafbefehl erhalten haben und damit nicht einverstanden sind, sollten Sie so schnell wie möglich einen Strafverteidiger oder eine Strafverteidigerin kontaktieren.

 

5. Weitergehende Beratung

Sind Sie in ein Strafverfahren verwickelt worden, wurde Ihnen eine Verzeigung angedroht oder haben Sie einen Strafbefehl erhalten? Gerne stehen Ihnen die Experten von Legal Partners Zurich zur Seite, beraten Sie kompetent und stehen für Ihre Interessen ein. Kontaktieren Sie uns unverbindlich.