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Der Kindesunterhalt | Anleitung und Berechnung

Mai 2020

Rechtsanwälte und Partner bei Legal Partners Zurich
MLaw Roland Graf | Dr. iur. Seraina Denoth, LL.M. | M.A. HSG Martina Wiegers | Dr. iur. Flurina Hitz

Mit der Gesetzesänderung vom 1. Januar 2017 wurde der Kindesunterhalt teilweise neu definiert. Dies führte in erster Linie zu einer vielseitigen Gerichtspraxis in der Schweiz und zu äusserst unterschiedlichen Unterhaltszahlungen in den verschiedenen Kantonen. Viele Eltern wissen deshalb nicht, was bei einer Trennung bzw. einer Scheidung auf sie zukommt. Die finanziellen Faktoren und die durch die Trennung entstehenden Mehrkosten sind für die meisten schwer abzuschätzen. Im folgenden Beitrag werden die Grundzüge des Kindesunterhaltes erläutert und das Vorgehen bei der Berechnung aufgezeigt. Es handelt sich um allgemeine Hinweise. Jeder Einzelfall weist einen individuellen Charakter auf, welcher in einer Unterhaltsberechnung zu berücksichtigen ist.

1. Einleitung
In der Zwischenzeit konnten durch Urteile des Bundesgerichts einige der grösseren Fragen zum Unterhaltsrecht geklärt und die Rechtsprechung zumindest in einem gewissen Mass vereinheitlicht werden. Nach wie vor bestehen aber kantonale Unterschiede, welche bei der Berechnung zu unterschiedlichen Ergebnissen führen können. Ebenfalls ist zu berücksichtigen, dass bei einem gerichtlichen Entscheid dem zuständigen Richter ein erheblicher Ermessensspielraum zusteht, sodass auch bei gleicher Ausgangslage durchaus unterschiedliche Ergebnisse resultieren können.

Gerade aufgrund dieser unklaren Praxis führt die Vereinbarung über die Höhe des Unterhalts oft zu Streit. In diesem Fall wird empfohlen, zur Vermeidung eines strittigen Verfahrens, gemeinsam mit einer Fachperson (z.B. Mediator) eine angemessene Lösung zu suchen.

2. Der Kindesunterhalt
Konkret setzt sich der gebührende Kindesunterhalt aus dem Natural- und dem Geldunterhalt und dieser wiederum aus dem Bar- und dem Betreuungsunterhalt zusammen. Er stellt ein Anspruch des Kindes gegenüber seinen Eltern dar.

Mit dem Naturalunterhalt bezeichnet man den Betreuungsaufwand für das Kind, welcher nicht in die Erwerbszeit fällt. Bei der Berechnung der Unterhaltsbeiträge kann dieser für den betreuenden Elternteil im Rahmen der Prüfung der Leistungsfähigkeit ermessensweise berücksichtigt werden.

Der Barunterhalt dient dazu, die direkten Kinderkosten zu finanzieren. Darin berücksichtigt werden unter anderem Ernährung, Unterkunft, Bekleidung, Krankenkassenprämien, Auslagen für die Schule, Fremdbetreuungskosten und Freizeitbeschäftigungen.

Mit dem Betreuungsunterhalt sind die indirekten Kinderkosten zu decken. Damit gemeint sind die Lebens­haltungs­kosten, welche der betreu­ende Elternteil durch die Betreuung der Kinder nicht selbst zu decken vermag.

3. Die konkrete Berechnung des Geldunterhaltes

a. Vorbemerkung
Vorab kann für die durchschnittlichen Kosten eines Kindes auf die Zürcher Kinderkostentabelle vom 1. Januar 2020 verwiesen werden. Darin wird der durchschnittliche Barbedarf von Kindern ausgewiesen. Fremdbetreuungskosten sowie der Betreuungsunterhalt sind darin noch nicht berücksichtigt.

Da eine genaue Bemessung der Ausgaben unter Berücksichtigung sämtlicher Faktoren in der Realität kaum möglich ist, arbeiten die Gerichte mit Pauschalen für die anfallenden Kosten. Sie stützen sich dabei auf die Richtlinien für die Berechnung des betreibungsrechtlichen Existenzminimums nach Art. 93 SchKG.

Sind die finanziellen Mittel knapp, so gilt eine klare Hierarchie. In erster Linie ist das betreibungsrechtliche Existenzminimum des Unterhaltsschuldners zu wahren. Das diesen Betrag übersteigende Einkommen ist in erster Priorität für den Barunterhalt, in zweiter Priorität für den Betreuungsunterhalt und in dritter Priorität für den Ehegattenunterhalt bzw. nachehelichen Unterhalt zu verwenden. Steht nach Deckung dieses Minimalbedarfes noch ein Überschuss zur Verfügung, so ist auch dieser aufzuteilen.

b. Barunterhalt
Der Barunterhalt berechnet sich aus dem Barbedarf des Kindes abzüglich des eigenen Einkommens. Der Barbedarf setzt sich aus folgenden Komponenten zusammen:

Grundbedarf
Gemäss den Richtlinien zur Berechnung des betreibungsrechtlichen Existenzminiums des Kantons Zürich wird bei Kindern ein Grundbedarf von CHF 400.00 bis zum 10. Altersjahr und danach von CHF 600.00 angenommen. Damit abgedeckt sind Ausgaben für Nahrung, Kleider, Essen und Körperpflege.

Wohnkosten
Zu berücksichtigen sind dabei die Wohnkosten, die anfallen, da für die Kinder eine adäquate Wohnung zur Verfügung zu stellen ist. Das bedeutet, dass diese Kosten nicht nur bei der hauptbetreuenden, sondern richtigerweise auch bei der nebenbetreuenden Partei zu berücksichtigen sind.

Als Berechnungshilfe kann das Modell «grosse und kleine Köpfe» angewandt werden. Danach sind die Kosten der Kinder halb so stark zu berücksichtigen wie diejenigen der Erwachsenen (z.B: 1 Erwachsener [2/3] und 1 Kind [1/3] aber 2 Erwachsene [je 2/5] und 1 Kind [1/5]).

In der Unterhaltsberechnung werden die Wohnkostenanteile der Kinder von den gesamten Mietzinsen (inkl. Nebenkosten) des jeweiligen Elternteils abgezogen.

Gesundheitskosten
In erster Linie sind hier die monatlichen Prämien der Krankenkasse (KVG, bei guten finanziellen Verhältnissen inkl. VVG) zu berücksichtigen. Darüber hinaus können auch nicht gedeckte und wiederkehrende zusätzliche Gesundheitskosten berücksichtigt werden, soweit diese ausgewiesen sind.

Fremdbetreuung
Werden die Kinder fremdbetreut, damit die hauptbetreuende Partei einer Erwerbstätigkeit nachgehen kann, so sind diese Fremdbetreuungskosten ebenfalls zu berücksichtigen.

Steuern
Gemäss Leitfaden des Obergerichts des Kantons Zürich sollen die Steuern bei den Kindern nicht berücksichtigt werden. Dies mit der Begründung, dass eine genaue Berechnung kaum möglich wäre und zudem das Steuersubjekt die erwachsene Person und nicht das Kind sei.

Die Literatur vertritt eine andere Meinung. Der Kindesunterhalt wird beim berechtigten Elternteil als Einkommen angerechnet und führt deswegen zu einer höheren Steuerbelastung. Je nach Ausgestaltung des Unterhaltes könne dies zu einer Doppelbelastung des berechtigten Ehegatten führen, sodass die Steuern im Unterhalt des Kindes zu berücksichtigen seien. Diesen Punkt sollten Sie mit Ihrem Anwalt besprechen.

Verschiedenes
Darunter fallen z.B. die besonderen Auslagen für die Schulung der Kinder (Schulgeld, Schulmaterial, Fahrkosten etc.).

In besseren finanziellen Verhältnissen kann der Barunterhalt um weitere Positionen (Freizeitbeschäftigung, Ferien etc.) erweitert werden.

Einkommen des Kindes
Vom Barbedarf in Abzug gebracht werden müssen die erhaltenen Familienzulagen, sowie in angemessenem Umfang ein Lehrlingslohn oder andere Einkünfte.

c. Betreuungsunterhalt
Verbleibt dem Unterhaltsschuldner nach Deckung seines Existenzminimums und nach Leistung des Barunterhaltes ein Überschuss, so ist damit der Betreuungsunterhalt zu decken. Der Betreuungsunterhalt berechnet sich nach dem Lebenshaltungskostenmodell (Urteil des Bundesgerichts vom 17. Mai 2018, BGer 5A_454/2018). Die Lebenshaltungskosten ergeben sich aus dem familienrechtlichen Notbedarf des betreuenden Elternteils.

Es ist also in einem ersten Schritt der Bedarf der betreuenden Partei zu berechnen. Dies erfolgt wiederum aufgrund der Richtlinien für die Berechnung des betreibungsrechtlichen Existenzminimums nach Art. 93 SchKG. Bei guten finanziellen Verhältnissen darf auch hier der Bedarf wieder um gewisse Bedarfsposten (VVG, Steuern) erweitert werden.

Vom Bedarf ist das erzielte Einkommen der betreuenden Partei abzuziehen (Sozialhilfeleistungen und Ergänzungsleistungen stellen kein Einkommen dar). Die Frage, in welchem Umfang denn die hauptbetreuende Partei überhaupt verpflichtet bzw. es ihr zumutbar ist, ein eigenes Einkommen zu erzielen wurde durch das Bundesgerichtsurteil vom 21. September 2018, BGer 5A_384/2018 festgelegt. Danach gilt das Schulstufenmodell. Der hauptbetreuende Elternteil muss demnach ab der obligatorischen Einschulung des jüngsten Kindes grundsätzlich zu 50% eine Erwerbsarbeit ausüben, ab dessen Eintritt in die Sekundarstufe zu 80% und ab seinem vollendeten 16. Lebensjahr zu 100%. Davon kann im Einzelfall aus zureichenden Gründen abgewichen werden.

Hat die betreuende Partei aufgrund der Kinderbetreuung gar nicht gearbeitet, so gilt nach bundesgerichtlicher Rechtsprechung, dass eine Wiederaufnahme der beruflichen Tätigkeit nicht zumutbar ist, wenn im Zeitpunkt der Trennung das 45. Altersjahr erreicht wurde. Es besteht allerdings eine Tendenz, diese Altersgrenze auf 50 anzuheben.

Die Differenz zwischen den Lebenshaltungskosten und dem eigenen Einkommen stellt den Betreuungsunterhalt dar.

d. Überschussverteilung
Verbleibt selbst nach Leistung des Betreuungsunterhaltes und des Ehegattenunterhaltes bzw. nachehelichen Unterhaltes noch ein Überschuss des Unterhaltsschuldners, so ist dieser auf die Ehegatten bzw. die gemeinsamen Kinder zu verteilen. Bei nichtverheirateten Eltern erfolgt keine Zusprechung des Überschussanteiles an den betreuenden Elternteil.

Der Überschuss wird in der Praxis unterschiedlich verteilt. Einige Gerichte verwenden die Methode «grosse Köpfe, kleine Köpfe» während andere nach Prozenten (pro Kind zwischen 10-30%) verteilen. Die Entscheide richten sich dabei nach dem Einzelfall.

4. Unterhaltszahlung
Oft stellt sich die Frage, wer denn nun für welchen Teil des Unterhaltes aufzukommen hat. Grundsätzlich gilt, dass der Unterhalt von demjenigen Elternteil zu tragen ist, welcher das Kind nicht oder nicht wesentlich betreut. Dabei wurde vom Bundesgericht die Betreuung an zwei von drei Wochenenden als nicht wesentlich eingestuft (Urteil des Bundesgerichts vom 22. August 2019, BGer 5A_727/2018).

Wird die Kinderbetreuung jedoch gleichmässiger aufgeteilt, so ist bei der Aufteilung des Unterhaltes nebst den Betreuungsanteilen auch die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit zu berücksichtigen. In diesen Fällen erfolgt eine Aufteilung der Unterhaltspflicht aufgrund des Einzelfalles und im Streitfall nach Ermessen des Richters.

5. Fazit
Wir empfehlen den Parteien, sich bei Unstimmigkeiten bezüglich der Unterhaltszahlungen mittels Trennungs- oder Scheidungskonvention zu einigen.

Sollten Sie Fragen zum Einzelfall haben oder eine Beratung benötigen, so stehen Ihnen die Experten von Legal Partners Zurich gerne bei der Berechnung des angemessenen Unterhaltes oder der Ausarbeitung einer Trennungs- und Scheidungskonvention zur Verfügung.

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Die Patientenverfügung

20. April 2020

Rechtsanwälte und Partner bei Legal Partners Zurich
MLaw Roland Graf | Dr. iur. Seraina Denoth, LL.M. | M.A. HSG Martina Wiegers | Dr. iur. Flurina Hitz

Unfälle und Krankheiten sind so unvorhersehbar wie das Leben selbst. Deshalb ist es wichtig, über die Möglichkeiten informiert zu sein, wie man für den Fall einer Urteilsunfähigkeit seinen eigenen Willen und die persönlichen Wünsche bezüglich medizinischer Massnahmen verwirklichen kann. Hierzu dient insbesondere eine Patientenverfügung, über deren Erstellung, Inhalt und Wirkungen wir Ihnen in der Folge einen Überblick verschaffen.

1. Was ist eine Patientenverfügung?
Mit einer Patientenverfügung stellen Sie sicher, dass Ihr Wille bezüglich medizinischer Massnahmen auch dann noch berücksichtigt wird, wenn Sie sich nicht mehr selbst äussern können oder nicht mehr urteilsfähig sind. Sie halten im Voraus schriftlich fest, welchen medizinischen Massnahmen Sie zustimmen und welche Sie ablehnen. Das erlaubt es Ärzt­innen und Ärzten gemäss Ihrem Willen zu handeln und entlastet die Angehörigen.

2. Was kann ich in einer Patientenverfügung festhalten?
In der aktuellen Situation ist etwa relevant, dass in einer Patientenverfügung festgehalten werden kann, dass man im Falle einer Corona-Erkrankung beispielsweise in seinem bekannten Alters- oder Pflegeheim behandelt werden möchte und auf die Verlegung auf die Intensivstation eines Spitals verzichtet.

Weiter kann Inhalt einer Patientenverfügung jede Entscheidung bezüglich medizinischer Massnahmen sein, z.B. bei unerwarteten akuten Ereignissen (z.B. Unfall, Herzinfarkt, Schlaganfall). Dort stellt sich die Frage, ob im Falle einer ärztlichen Beurteilung, dass die Wahrscheinlichkeit der Wiedererlangung der Urteilsfähigkeit sehr gering ist, die lebenserhaltenden bzw. lebensverlängernden Massnahmen aufrechterhalten werden sollen oder nicht. Auch die Frage, ob eine Schmerz- und Symptombehandlung durchgeführt werden soll, selbst wenn dies z.B. eine Bewusstseinstrübung zur Folge hätte, wird typischerweise in einer Patientenverfügung geregelt. Ebenso die Frage der dauerhaften künstlichen Zufuhr von Flüssigkeit und Nahrung sowie einer Reanimation im Falle eines Herz-Kreislauf- oder Atemstilltands. Darüber hinaus kann in der Patientenverfügung festgehalten werden, ob eine Organspende und eine Autopsie gestattet sein sollen und falls ja, in welchem Umfang.

In der Patientenverfügung kann auch eine Person als therapeutische Vertretung bezeichnet werden, welche in Falle der Urteilsunfähigkeit über die Art der Behandlung oder Pflege entscheiden soll.

 

3. Gibt es ein Formular für eine Patientenverfügung?
Verschiedene Institutionen stellen Patientenverfügungen kostenlos oder kostenpflichtig zur Verfügung. Es wird dabei zwischen knapp gehaltenen Standard-Patientenverfügungen und massnahmenorientierten Patientenverfügungen, die sich an Menschen mit bestehenden Erkrankungen richten, unter­schieden. Je ausführlicher Ihre Patientenverfügung ist, desto besser können Sie Ihren Willen zum Ausdruck bringen. Dies erleichtert den behandelnden Ärzten zu entscheiden, wie sie in einer konkreten Situation handeln sollen. Je klarer Sie Ihren Willen äussern, desto weniger Auslegungsprobleme ergeben sich im Ernstfall. Um sicherzugehen, dass die Patientenverfügung auch dem wirklichen Willen entspricht, empfiehlt es sich, diese mit Ihrem Arzt oder einer anderen Fachperson zu besprechen.

 

4. Muss ich die Patientenverfügung von Hand verfassen?
Teilweise. Sie können die Patientenverfügung elektronisch verfassen oder ein vorgefertigtes Formular verwenden. Allerdings muss jede Patientenverfügung das Erstellungsdatum und die Unterschrift der verfügenden Person enthalten.

 

5.    Wo bewahre ich die Patientenverfügung auf?
Äussern Sie Ihre Wünsche und deponieren Sie die ausgefüllte, datierte und unterschriebene Patientenverfügung bei Ihrem Hausarzt oder bei einer Vertrauensperson. Tragen Sie ausserdem in Ihrem Portemonnaie immer einen Hinweis auf Ihre Patientenverfügung und deren Aufbewahrungsort mit. Der Hinterlegungsort kann auch auf der Krankenversicherungskarte eingetragen werden.

 

6. Was passiert, wenn sich meine Einstellung ändert?
Die Patientenverfügung muss immer dem aktuellen Willen des Verfassers entsprechen. Wenn Sie Ihre Einstellung ändern und die Patientenverfügung anpassen wollen, können Sie dies jederzeit tun, indem Sie eine neue Patientenverfügung verfassen, datieren und unterzeichnen. Ohnehin empfiehlt es sich, die Patientenverfügung alle zwei Jahre neu zu datieren und zu unterschreiben, damit Sie im Ernstfall eine aktuelle Patientenverfügung mit sich führen oder hinterlegt haben.

                                                                                                                                               

7. Was geschieht, wenn keine Patientenverfügung verfasst und keine Vertretung bezeichnet wurde?
Bevor ein Eingriff vorgenommen werden kann, muss der Arzt in diesem Fall die Zustimmung Ihrer gesetzlichen Vertretung einholen. Gibt es keine gesetzliche Vertretung, so können die Angehörigen an Ihrer Stelle einwilligen. Sind auch keine Angehörigen vorhanden oder wollen diese keine medizinischen Entscheide treffen, so wird von der zuständigen Behörde ein Beistand bezeichnet.

 

8. In welchem Verhältnis steht die Patientenverfügung zum Vorsorgeauftrag?
Wenn Sie eine Patientenverfügung verfassen, sollten Sie gleichzeitig auch an einen Vorsorgeauftrag denken. Mit einem Vorsorgeauftrag kann jede handlungsfähige Person festlegen, wer sie im Falle ihrer Urteilsunfähigkeit vertreten soll. Im Zusammenhang mit der Vertretung in medizinischen Belangen ist darauf zu achten, dass sich Patientenverfügung und Vorsorgeauftrag nicht widersprechen. Im Gegensatz zur Patientenverfügung muss der Vorsorgeauftrag eigenhändig (handschriftlich, datiert und mit Unterschrift) verfasst oder öffentlich beurkundet werden. Weitere Infos zum Vorsorgeauftrag finden Sie auf unserer Homepage unter der Rubrik «Wissenswertes».

 

9. Weitergehende Beratung
Sollten Sie Fragen zum Einzelfall haben oder eine Beratung benötigen, so stehen Ihnen die Experten von Legal Partners Zurich gerne bei der Ausarbeitung Ihrer Patientenverfügung oder eines Vorsorgeauftrags zur Verfügung.

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Relevante Unterschiede zwischen Ehe und Konkubinat

März 2020

Rechtsanwälte und Partner bei Legal Partners Zurich

MLaw, Roland Graf | Dr. iur. Seraina Denoth, LL.M. | M.A. HSG Martina Wiegers | Dr. iur. Flurina Hitz

Die Entscheidung, ob man heiratet oder im Konkubinat lebt, hat sowohl während der Dauer des Zivilstandes als auch bei Beendigung weitreichende Folgen. Nachfolgend werden einige Aspekte, auf die sich die Wahl des Zivilstandes auswirkt, kurz erläutert.

1. Zahle ich aufgrund der Heirat automatisch höhere Steuern?
Nein. Die sogenannte "Heiratsstrafe" betrifft nur besserverdienende Paare mit ähnlich hohem Einkommen. Das Einkommen von Ehepartnern wird zusammengerechnet und fällt damit unter Umständen in eine höhere Steuerprogression. Bei niedrigen und unterschiedlich hohen Einkommen spielt sie keine Rolle. Bei ausländischen, verheirateten Doppelverdienern, die quellensteuerpflichtig sind, gelten für jeden Partner unterschiedliche Steuersätze

Um die Nachteile der höheren Progression auszugleichen, können Ehepartner einen Doppelverdiener-Abzug geltend machen. Der Abzug wird vom tiefen Einkommen abgezogen und beträgt bei der Staatssteuer im Kanton Zürich max. CHF 5'900. Unterschreitet das niedrigere Einkommen nach Abzug der Berufsauslagen, der Beiträge an die Säule 3a und der Einkaufsbeiträge in die 2. Säule den Betrag von CHF 5'900, darf nur noch der übrig gebliebene Teil abgezogen werden.

Bei der Bundessteuer hängt der Abzug von der Höhe des niedrigeren Erwerbseinkommens ab, abzüglich der oben erwähnten Abzüge. 50% des niedrigeren Einkommens kann abgezogen werden, wenn das niedrigere Einkommen nach allen Abzügen mehr als CHF 8'100 beträgt, mindestens aber CHF 8'100 und max. CHF 13'400.

Bei Konkubinatspaaren werden die Steuern separat veranlagt. Gutverdienende Konkubinatspartner zahlen meist weniger Steuern als verheiratete Doppelverdiener.

2. Zahle ich im Konkubinat höhere Steuern für eine Erbschaft meines Konkubinatspartners?
Ja. Die Höhe der Steuer ist von Ihrem Wohnsitz abhängig. Die Erben sind steuerpflichtig für bewegliches Vermögen, wie z.B. Bargeld, Kontoguthaben und Wertschriften. Die Kantone am letzten Wohnsitz des Erblassers legen die Steuersätze fest (Immobilien werden an ihrem Standort versteuert).

Die meisten Kantone kennen bei Schenkungen und Erbschaften unter Konkubinatspartnern keine steuerlichen Privilegien. Die Konkubinatspartner werden als Nichtverwandte mit einer hohen Steuer belegt. Im Kanton Zürich gilt ein Steuerfreibetrag von CHF 50'000 für Konkubinatspartner. Der Freibetrag gilt nur, wenn das Konkubinatspaar mindestens 5 Jahre im gleichen Haushalt zusammengelebt hat.

Im Gegensatz dazu erheben die meisten Kantone (z.B. Kanton Zürich) bei Ehegatten keine Erbschafts- oder Schenkungssteuern.

3. Erbt meine Konkubinatspartnerin, wenn ich kein Testament schreibe?
Nein. Konkubinatspartner haben kein gesetzliches Erbrecht. Um den Konkubinatspartner zu begünstigen, ist zwingend ein Testament oder ein Erbvertrag notwendig. Ansonsten geht der Partner leer aus. Sind pflichtteilsgeschützte Erben vorhanden (z.B. gemeinsame oder nicht gemeinsame Kinder), erhält der Konkubinatspartner maximal die verfügbare Quote. Für die optimale Begünstigung wird ein Erbvertrag empfohlen.

Für Verheiratete gilt hingegen das gesetzliche Erbrecht. Das heisst, der überlebende Ehepartner erbt die Hälfte des Nachlasses und mindestens den Pflichtteil (die Hälfte des gesetzlichen Erbanspruchs – dieses Verhältnis bleibt unverändert nach der geplanten Revision des Erbrechts). Dazu kommen bei den Güterständen der Errungenschaftsbeteiligung und Gütergemeinschaft noch die güterrechtlichen Ansprüche. Auch bei Ehegatten wird für eine optimale Begünstigung ein Erbvertrag (kombiniert mit einem Ehevertrag) empfohlen.

4. Hat meine Konkubinatspartnerin im Falle meines Todes Anspruch auf eine Witwen-/ Witwerrente?
Nein. Konkubinatspartner erhalten beim Tod des Partners weder von der AHV noch von der Pensionskasse oder von der Unfallversicherung eine Witwen- bzw. Witwerrente. Leistungen der Pensionskasse an Konkubinatspartner sind freiwillig und ergeben sich aus dem Reglement der jeweiligen Pensionskasse. Eine Begünstigung muss angemeldet werden.

Die Ehegattin erhält eine Witwenrente, falls sie im Zeitpunkt der Verwitwung Kinder hat (egal welches Alter) oder die Ehefrau älter als 45 Jahre ist und mindestens 5 Jahre mit dem Verstobenen verheiratet war. Ein Witwer erhält nur eine Rente, solange er Kinder unter 18 Jahren hat.

5. Kriegen meine Kinder im Falle des Todes von mir und meinem Partner eine Waisenrente?
Ja. Kinder unter 18 Jahren oder Kinder, die noch in Ausbildung sind, bis im Alter von 25 Jahren kriegen eine Rente. Es spielt keine Rolle, ob die Eltern verheiratet waren oder im Konkubinat gelebt haben.

6. Erhalte ich eine höhere Rente als Konkubinatspaar verglichen mit einem Ehepaar?
Ja. Ein Konkubinatspaar erhält im Jahr eine maximale AHV-Rente von CHF 58'880. Die AHV-Rente der Ehegatten ist plafoniert. Die Rente ist nur 1.5-mal so hoch wie die Rente für Konkubinatspaare. Die maximale Rente für ein Ehepaar pro Jahr beträgt CHF 42'660.

7. Muss ich meine Pensionskasse im Falle einer Scheidung in jedem Fall teilen unabhängig vom gewählten Güterstand?
Ja. Das Pensionskassenguthaben welches die Ehegatten während der Ehe angespart haben wird bei der Scheidung aufgeteilt. Dies gilt auch wenn die Ehegatten den Güterstand der Gütertrennung gewählt haben.

Konkubinatspartner haben keine gegenseitigen Ansprüche auf die Pensionskasse des jeweils anderen. Dies kann je nach Wahl des Familienmodells problematisch sein. Verringert beispielsweise ein Konkubinatspartner sein Arbeitspensum, z.B. für die Kinderbetreuung und die Haushaltsführung, hat er im Trennungsfall eine beträchtliche Vorsorgelücke, da eine hälftige Teilung der Pensionskasse gesetzlich nicht vorgesehen ist. Für diesen Fall ist es ratsam, mittels Konkubinatsvertrag eine persönliche Vorsorge aufzubauen.

8. Ich und mein Partner haben verschiedene Nationalitäten, profitieren wir von einer Eheschliessung?
Ja. Nach drei Jahren Ehe mit einem Schweizer Bürger und fünf Jahren Wohnsitz in der Schweiz kann die erleichterte Einbürgerung beantragt werden. Nach fünf Jahren Ehe besteht ein Anspruch auf eine Niederlassungsbewilligung. Als Konkubinatspaar gibt es keine entsprechenden Vorteile.

9. Erhalte ich im Spital Zutritt zu meinem Ehegatten und Auskunft über den gesundheitlichen Zustand?
Ja. Ehepartner erhalten Auskunft und haben die Zutrittsberechtigung im Spital wie auch das Weisungsrecht. Problematisch ist diese Situation für Konkubinatspaare. Konkubinatspartner haben keinen Anspruch auf ärztliche Auskunft und kein Weisungsrecht im Spital. Diese Situation sollte zwingend mit einer Patientenverfügung oder einem Vorsorgeauftrag geregelt werden.

10. Wessen Familiennamen erhalten unsere Kinder, wenn wir nicht verheiratet sind?
Die Kinder von Konkubinatspartnern erhalten den Ledignamen des Elternteils mit der elterlichen Sorge. Teilen sich die Eltern die elterliche Sorge, so bestimmen sie, welchen ihrer Ledignamen ihre Kinder tragen sollen. Bei Ehegatten erhalten die Kinder den gemeinsam festgelegten Familiennamen.

11. Wie bestimmt sich das Bürgerrecht meiner Kinder?
Das Kind erhält das Kantons- und Gemeindebürgerrecht des Elternteils, dessen Namen es trägt. Wenn ein Elternteil Schweizer Bürger ist, erhalten Kinder das Schweizer Bürgerrecht.  Es bestehen keine Unterschiede zwischen Konkubinat oder Ehe.

12. Welche Behörde ist im Streitfall zuständig?
Bei ehelichen Kindern werden Unterhalt und Kinderbelange im Rahmen von Eheschutz- und Scheidungsverfahren vom Gericht geregelt.

Bei Kindern von Konkubinatspaaren ist für die Fragen der elterlichen Sorge, der Obhut und der Betreuung die KESB zuständig. Dies gilt theoretisch auch bei Verheirateten, sofern nicht gleichzeitig die Aufhebung des gemeinsamen Haushaltes geregelt wird. Dies kommt eher seltenen vor. Für die Regelung des Kinderunterhalts ist die KESB nur zuständig, wenn einen Einigung zwischen den Kindseltern vorliegt (genehmigte Unterhaltsverträge). Können sich die Eltern über die Unterhaltsfrage nicht einigen ist eine Unterhaltsklage beim Gericht anhängig zu machen.

Im Gegensatz zu Eheschutzbegehren und Scheidungsklagen kann die Unterhaltsklage von Konkubinatspaaren nicht direkt beim Gericht eingereicht werden. Momentan sieht das Gesetz noch ein vorgängiges Schlichtungsverfahren vor. Aufgrund der Komplexität von Unterhaltsberechnungen kommt es im Schlichtungsverfahren selten zu einer Einigung. Die Revision der ZPO sieht die Aufhebung des Schlichtungsverfahrens vor.

13. Habe ich als Konkubinatspartnerin Anspruch auf eigenen Unterhalt nach der Trennung?
Nein. Nur Verheiratete haben Anspruch auf Ehegattenunterhalt. Für Konkubinatspaare gibt es keinen Unterhalt. Sind jedoch Kinder vorhanden gibt es Kinderunterhalt. Dieser setzt sich aus Natural-, Bar- und Betreuungsunterhalt zusammen.         

Naturalunterhalt entspricht dem Betreuungsaufwand für das Kind, der nicht in der Erwerbszeit anfällt.

Als Barunterhalt gelten die direkten Auslagen für das Kind, z.B. Krankenkasse, Wohnkosten oder Kosten einer externen Betreuung.

Betreuungsunterhalt entspricht den indirekten Kosten der Betreuung während möglicher Erwerbszeit. Der Betreuungsunterhalt gleicht bis zu einem gewissen Grad aus, wenn ein Elternteil während der Betreuungszeit keiner Erwerbstätigkeit nachgehen kann. Es gleicht nur das Existenzminimum aus.

14. Mit welchen Kosten muss ich bei einer Trennung oder einer Scheidung rechnen?
Egal ob Trennung oder Scheidung, eine einvernehmliche Lösung ist in Bezug auf Anwalts- und Gerichtskosten immer die günstigste Lösung. Zudem zeigt die Erfahrung, dass gemeinsam erarbeitete Lösungen langfristig besser akzeptiert werden.

Eine Scheidungskonvention oder Trennungsvereinbarung kostet je nach Komplexität der Familienverhältnisse zwischen CHF 2'000 und CHF 5'000. Eine strittige Scheidung verursacht schnell Kosten im fünfstelligen Bereich.

Ein Verfahren bei der KESB oder vor Gericht zur Regelung des Besuchsrechts und des Kinderunterhalts kostet ebenfalls schnell über CHF 5'000.

Im Kanton Zürich werden die Gerichtskosten nach der kantonalen Gebührenverordnung festgelegt und betragen zwischen CHF 300 und CHF 13'000. Erfahrungsgemäss liegen die Gerichtskosten bei mindestens CHF 3'000.

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Der Vorsorgeauftrag

April 2020

Rechtsanwälte und Partner bei Legal Partners Zurich

MLaw, Roland Graf | Dr. iur. Seraina Denoth, LL.M. | M.A. HSG Martina Wiegers | Dr. iur. Flurina Hitz

Ein Unfall oder eine Krankheit lassen sich nicht voraussehen. Aufgrund unplanbarer Ereignisse ist man plötzlich auf die Hilfe Dritter angewiesen. Dies kann auch junge Menschen treffen. Wir raten, sich frühzeitig mit der Planung eines solchen Falles auseinanderzusetzen. Ein Unfall, eine Krankheit oder altersbedingte Veränderungen (z.B. Demenz, Alzheimer) können eine vorübergehende (Bewusstlosigkeit, Koma) oder dauerhafte Urteilsunfähigkeit verursachen. Damit in diesen Situationen schnell Unterstützung in Anspruch genommen werden kann und damit kein langwieriges Verfahren bei der Kindes- und Erwachsenenschutzbehörde (KESB) eingeläutet werden muss, sollte man rechtzeitig einen Vorsorgeauftrag verfassen. Ein solcher kann mit relativ wenig Aufwand und Kosten erstellt werden.

1. Vorbemerkungen
Jede handlungsfähige Person kann mittels Vorsorgeauftrag festlegen, wer sie im Falle der Urteilsunfähigkeit vertreten soll. Der Vorsorgeauftrag ist eigenhändig (handschriftlich, datiert und mit Unterschrift) zu verfassen oder öffentlich zu beurkunden (im Kanton Zürich bei den öffentlichen Notariatsstellen).

Erfährt die Erwachsenenschutzbehörde (ESB), dass eine Person urteilsunfähig geworden ist, so prüft sie die Gültigkeit des Vorsorgeauftrages und die Eignung der darin beauftragten Person. Anschliessend validiert die ESB den Vorsorgeauftrag. Die im Vorsorgeauftrag oft angetroffene Formulierung «Man solle die KESB nicht informieren», würde somit dazu führen, dass der Vorsorgeauftag nicht validiert und daraus folgend der Beauftragte den Auftrag nicht gültig annehmen kann.

Wird die auftraggebende Person wieder urteilsfähig, so verliert der Vorsorgeauftrag seine Wirksamkeit von Gesetzes wegen. Ein weiterer Entscheid der ESB ist nicht nötig.

Im Kanton Zürich kann der Vorsorgeauftrag bei der ESB hinterlegt sowie dessen Errichtung und Hinterlegungsort beim Zivilstandsamt registriert werden. Wichtig ist, dass der ESB im Zeitpunkt der Urteilsunfähigkeit das Original vorliegt.

 

2. Inhalt
Normalerweise werden drei Vertretungsbereiche unterschieden, wobei eine Person für alle Bereiche eingesetzt werden kann oder verschiedene Personen für die einzelnen Bereiche. Um  Missverständnisse und Überschneidungen zu vermeiden, lohnt es sich meistens, nur eine Person zu beauftragen.

 a. Personensorge
Betroffen sind hier, ähnlich wie bei der Patientenverfügung, das körperliche, geistige und seelische Wohl. Um der beauftragten Person den Auftrag zu erleichtern, können Wünsche und Werte im Vorsorgeauftrag niedergeschrieben werden. Aufgrund der inhaltlichen Ähnlichkeit mit der Patientenverfügung sollte die Vertretung an die gleiche Person erfolgen, oder die einzelnen Aufgabenbereiche klar und verständlich getrennt werden.

 b. Vermögenssorge
Betroffen ist das eigene Vermögen. Die Vertretungsperson muss das Vermögen sachgerecht verwenden und sich um die finanziellen Angelegenheiten kümmern. Auch hier kann inhaltlich die konkrete Verwendung (z.B. jährliche Spenden) festgehalten werden. Es wird empfohlen, dem Beauftragten klare Weisungen zur konkreten Vermögensverwaltung zu geben. Die Vermögensverwaltung kann auch einer juristischen Person übertragen werden.

 c. Vertretung im Rechtsverkehr
In diesem Bereich wird der Beauftragte bevollmächtigt, die urteilsunfähige Person gegenüber Banken, Behörden, Geschäftspartnern, der Familie etc. rechtlich zu vertreten. Auch hier sollte insbesondere für aussergewöhnliche Vertretungen (z.B. Hausverkauf) eine explizite Formulierung im Vorsorgeauftrag vermerkt sein.

 

3. Entschädigung
Meist wird im Vorsorgeauftrag festgehalten, ob für den Beauftragten eine Entschädigung erfolgen soll oder nicht. Spesenersatz ist immer geschuldet. Fehlt eine solche Formulierung, so legt die ESB eine angemessene Entschädigung fest, sofern dies gerechtfertigt erscheint.

 

4. Wieso genügt eine normale Vollmacht nicht?
Häufig werden Vollmachten erteilt, welche festhalten, dass diese auch nach Eintritt der Urteilsunfähigkeit des Vollmachtgebers weiterhin gelten. Dies ist grundsätzlich möglich, wird aber von vielen Institutionen (Banken etc.) nicht akzeptiert. Unzulässig ist es hingegen, eine Vollmacht zu erteilen, die erst im Zeitpunkt der Urteilsunfhähigkeit gilt. Damit würden die Formvorschriften des Vorsorgeauftragres umgangen werden.

 

5. Folgen der Urteilsfähigkeit ohne Vorsorgeauftrag
Bei verheirateten oder in eingetragener Partnerschaft lebenden Personen hat der Partner von Gesetzes wegen für die alltäglichen Handlungen ein Vertretungsrecht, muss aber für aussergewöhnliche Rechtshandlungen eine Bewilligung der ESB einholen. Bei alleinstehenden Personen wird eine Beistandschaft errichtet.

 

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Konkubinat und Kinder – Was Sie wissen sollten

18. Mai 2020

Rechtsanwälte und Partner bei Legal Partners Zurich

MLaw Roland Graf | Dr. iur. Seraina Denoth, LL.M. | M.A. HSG Martina Wiegers | Dr. iur. Flurina Hitz

Immer mehr Paare entscheiden sich dafür, unverheiratet, d.h. im Konkubinat zusammen zu leben und gemeinsame Kinder zu haben. Nachfolgend werden die wichtigsten Fragen rund um das Thema Kinder von Konkubinatspaaren beantwortet.

1. Was sollten Konkubinatspaare bei der Geburt eines Kindes als erstes regeln?

Bei Konkubinatspaaren ist der wichtigste und erste Schritt bei der Geburt eines Kindes die Anerkennung der Vaterschaft. Erst mit diesem Schritt entsteht bei einem Konkubinatspaar rechtlich das Verwandtschaftsverhältnis zwischen Vater und Kind (Art. 252 ZGB) und in der Folge eine Unterhaltspflicht des Vaters.

Die Anerkennung kann vor oder nach der Geburt erfolgen. Sie begründet das Kindsver-hältnis rückwirkend auf den Zeitpunkt der Geburt.

2. Bei welcher Behörde kann die Vaterschaftsanerkennung abgegeben werden?
Schweizerische Staatsangehörige können die Vaterschaftsanerkennung bei jedem beliebigen Zivilstandsamt in der Schweiz anmelden.

Ausländische Staatsangehörige haben für die Anmeldung der Vaterschaftsanerkennung folgende Optionen:

a) Zivilstandsamt am Geburtsort des Kindes (nach der Geburt)

b) Zivilstandsamt am Wohnsitz der Mutter oder des Vaters

c) Schweizer Heimatort der Mutter oder des Vaters

 

3. Gilt eine im Ausland erfolgte Kindsanerkennung in der Schweiz?
Eine im Ausland erfolgte Anerkennung wird in der Schweiz anerkannt, wenn sie nach dem Recht am gewöhnlichen Aufenthalt des Kindes, dem Wohnsitzrecht eines Elternteils oder dem Heimatrecht eines der drei Beteiligten wirksam ist.

4. Der neue Lebenspartner einer noch verheirateten Frau will die Vaterschaft anerkennen. Was ist zu beachten?
Wenn die Mutter des Kindes verheiratet ist, gilt nach der Geburt rechtlich zunächst der Ehemann als Vater des Kindes. Bevor die Anerkennung durch den leiblichen Vater erfolgen kann, muss ein Gericht die Vaterschaft des Ehemannes aufheben. Hierzu ist die Rücksprache mit einem Anwalt zu empfehlen.

5. Wo kann die gemeinsame elterliche Sorge beantragt werden?
Die Erklärung über die gemeinsame elterliche Sorge kann zusammen mit der Vaterschaftsanerkennung beim Zivilstandsamt abgegeben werden. Danach ist die Kindes- und Erwachsenenschutzbehörde (KESB) zu-ständig.

6. Was sind Erziehungsgutschriften und wer erhält diese?
Gemeinsam mit der Erklärung über die gemeinsame elterliche Sorge können die Eltern eine Vereinbarung über die Erziehungsgutschriften treffen.

Die Erziehungsgutschriften können entweder hälftig geteilt werden oder einem Elternteil zu 100% zugewiesen werden.

Die Erziehungsgutschriften berücksichtigen bei der Berechnung der Altersrente die Einkommenseinbusse, die ein Elternteil infolge der Betreuung der Kinder unter Umständen verzeichnet. Es sind Zuschläge zum Erwerbseinkommen. Diese Gutschriften sind jedoch keine Geldzahlungen, sondern fiktive Einkommen, die erst bei der späteren Rentenabrechnung berücksichtigt werden.

Für jedes Jahr, in dem die oder der Versicherte ein oder mehrere Kinder unter 16 Jahren betreut, rechnet die Ausgleichskasse eine Erziehungsgutschrift an. Es handelt sich um einen fixen Betrag in der Höhe der dreifachen jährlichen Minimalrente im Jahr der Pensionierung – im Jahr 2020 sind das CHF 42'660.00. Diese Aufstockung des AHV-Guthabens hat eine Erhöhung der Rente zum Ziel – jedoch höchstens bis zur im Jahr der Pensionierung aktuellen Maximalrente. Dieser jährliche Betrag wird durch die Anzahl Beitragsjahre geteilt. Um die Höhe der Altersrente zu berechnen, zählt die Ausgleichskasse die Erziehungsgutschriften zum Erwerbseinkommen. Während der Ehe erhalten beide Partner die halbe Erziehungsgutschrift. Für geschiedene oder nicht miteinander verheiratete Eltern gelten besondere Bestimmungen.

Berechnungsbeispiel: Mara ist getrennt, alleinerziehend und wird 2031 in Pension gehen. Ihre zwei Kinder liegen fünf Jahre auseinander und sind heute 20 und 25 Jahre alt.

Erziehungsgutschrift berechnen
Erziehungsjahre (16) + Altersabstand der Kinder (21) = Total Erziehungsjahre (21)
Total Erziehungsjahre (21) x dreifache Minimalrente (CHF 42’660.00) / Beitragsjahre (43) = Erziehungsgutschriften (CHF 20’834.00)
Erziehungsgutschriften (CHF 20’834.00) + Durchschnittliches Einkommen (CHF 35’490.00) = Total Einkommen zur Berechnung der Rente (CHF 56’324.00)

7. Wer kommt in welchem Umfang für den Unterhalt auf?
Die Eltern sorgen gemeinsam, ein jeder nach seinen Kräften, für den gebührenden Unterhalt des Kindes und tragen insbesondere die Kosten von Betreuung, Erziehung, Ausbildung und Kindesschutzmassnahmen (Art. 276 ff. ZGB).

8. Sind Konkubinatspaare rechtlich verpflichtet einen Unterhaltsvertrag abzuschliessen?
Nein. Seit dem 1. Juli 2014 ist ein Unterhaltsvertrag für die Erteilung der gemeinsamen elterlichen Sorge nicht mehr Voraussetzung und somit nicht mehr zwingend. Die Regelung des Unterhalts wird in erster Linie Eltern empfohlen, die bei der Geburt des Kindes nicht zusammenleben.

Bei Konkubinatspaaren die zusammenleben, wird der Unterhalt in der Regel erst bei der Trennung und bei Uneinigkeit vom Gericht festgelegt. Zur Festlegung des Kinderunterhalts werden die im Trennungszeitpunkt aktuellen Einkommens- und Vermögensver-hältnisse sowie die Betreuungssituation betrachtet.

9. Muss der Unterhaltsvertrag genehmigt werden?
Ja, der Unterhaltsvertrag stellt ein genehmigungspflichtiges familienrechtliches Rechtsgeschäft dar. Damit der Unterhaltsvertrag für das Kind Verbindlichkeit erlangt, bedarf er der Genehmigung durch die KESB oder – falls der Unterhaltsvertrag im Rahmen eines gerichtlichen Verfahrens abgeschlossen wird – durch das zuständige Gericht.

10. Welcher Elternteil hat Anspruch auf Familienzulagen?
Ohne gemeinsame elterliche Sorge stehen die Familienzulagen automatisch der Mutter zu. Ansonsten gilt für die Frage, welcher Elternteil die Familienzulagen bezieht, die von der SVA entwickelte Anspruchskonkurrenz (Dokument abrufbar unter: https://www.ahv-iv.ch/p/6.08.d).

11. Wessen Nachnamen erhält das Kind?
Das Kind erhält den Ledignamen desjenigen Elternteils, der die elterliche Sorge innehat. Teilen sich die Eltern die elterliche Sorge, so bestimmen sie gemeinsam, welchen ihrer Ledignamen das Kind tragen soll.

12. Weitergehende Beratung
Sollten Sie Fragen zum Einzelfall haben oder eine Beratung benötigen, so stehen die Experten von Legal Partners Zurich Ihnen gerne bei der Ausarbeitung eines Konkubinatsvertrags, konkreten Unterhaltsberechnungen oder bei der Beantwortung von spezifischen Fragen betreffend Ihrer Familiensituation zur Verfügung.

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Die unentgeltliche Rechtspflege

Mai 2020

Rechtsanwälte und Partner bei Legal Partners Zurich

MLaw Roland Graf | Dr. iur. Seraina Denoth, LL.M. | M.A. HSG Martina Wiegers | Dr. iur. Flurina Hitz

Konflikte lassen sich leider teilweise nur durch den Gang vor Gericht lösen. Dem Rechtssuchenden muss der Zugang zum staatlichen Gericht ungeachtet seiner finanziellen Verhältnisse ermöglicht werden. Da sich viele sowohl die Gerichts- als auch die oft damit einhergehenden Anwaltskosten nicht leisten können, wurde das Instrument der unentgeltlichen Rechtspflege geschaffen. Wann und in welchem Umfang diese beantragt werden kann und welche Auswirkungen diese auf die Kosten effektiv hat, wird im nachfolgenden Beitrag erläutert.

1. Rechtliche Grundlage

Nach Art. 29 Abs. 3 der Schweizer Bundesverfassung hat jede Person, die nicht über die erforderlichen Mittel verfügt, Anspruch auf unentgeltliche Rechtspflege, wenn ihr Rechtsbegehren nicht aussichtslos erscheint. Soweit es zur Wahrung ihrer Rechte notwendig ist, hat sie ausserdem Anspruch auf einen unentgeltlichen Rechtsvertreter.

Die unentgeltliche Rechtspflege ist grundsätzlich für jedes staatliche Verfahren möglich. Ergänzend zur Bundesverfassung wird die unentgeltliche Rechtspflege demzufolge für die verschiedenen Verfahren in den jeweiligen dafür anwendbaren Bestimmungen festgehalten und präzisiert (Zivilprozess [Art. 117 ff. ZPO], Strafprozess [Art. 130 ff. StPO] etc.).

2. Umfang

Ziel der unentgeltlichen Rechtspflege ist der freie Zugang zum Gericht und die zweckdienliche Wahrung der Parteirechte.

Inhaltlicher Umfang

Die Gewährung der unentgeltlichen Rechtspflege befreit vorübergehend von der Zahlung der Gerichtskosten sowie von Vorschuss- und Sicherheitsleistung (vgl. Ziffer 7).

Damit ist weder ein Anspruch auf anwaltliche Vertretung noch aussergerichtliche Rechts­beratung voraussetzungslos garantiert. Damit auch die Bestellung eines Rechtsvertreters umfasst wird, muss die gesuchstellende Person zur Führung des Prozesses auf fachkundigen Rat angewiesen sein. Es darf sich also nicht um einen Bagatellfall handeln. Von einem Bagatellfall kann nicht mehr ausgegangen werden, wenn das in Frage stehende Verfahren besonders stark in die Rechtsposition der betroffenen Person einzugreifen droht.

Gerade bei Verfahren, in denen die Untersuchungsmaxime gilt, also das Gericht oder die Behörde den Sachverhalt vom Amtes wegen abzuklären hat (z.B. KESR, Sozialversicherungsrecht), scheitert das Gesuch um Bestellung eines unentgeltlichen Rechts­bei­standes oft an der Notwendigkeit der anwaltlichen Unterstützung.

Zeitlicher Umfang

Die unentgeltliche Rechtspflege wird nur auf begründetes Gesuch hin und erst ab diesem Zeitpunkt hin gewährt. Eine rückwirkende Bewilligung kommt nur ausnahmsweise in Frage.

Entschädigungspflicht

Nicht umfasst ist die Entschädigungspflicht der Gegenpartei, wenn das Verfahren verloren wird.

3. Subsidiarität

Die unentgeltliche Rechtspflege wird nur gewährt, wenn die finanziellen Mittel für das Verfahren nicht anderweitig zur Verfügung gestellt werden können.

Von Bedeutung ist insbesondere die eheliche Beistandspflicht (Art. 159 Abs. 3 und Art. 163 ZGB). Ist die beantragende Partei verheiratet, so sind bei den finanziellen Verhältnissen die Einkommen und Auslagen beider Ehegatten zu berücksichtigen. Dies gilt auch bei Klagen gegen den Ehegatten (z.B. Eheschutz/Scheidung). In diesen Fällen ist ein Prozesskostenvorschuss (bzw. Prozesskostenbeitrag) vom anderen Ehegatten zu verlangen.

Für minderjährige Kinder bzw. Kinder in Erstausbildung sind die Kosten grundsätzlich durch die Eltern zu decken.

Ein Anspruch auf unentgeltliche Rechtspflege kann nicht geltend gemacht werden, wenn eine Rechtsschutzversicherung, ein Verband o.ä. die Deckung der aufkommenden Kosten zusichert.

4. Mittellosigkeit

Der betroffenen Person müssen die Mittel fehlen, um die Prozesskosten zu finanzieren. Berücksichtigt wird dabei sowohl das vorhandene Vermögen als auch das effektiv erzielte Einkommen.

Vermögen

Eine Person gilt als mittellos, wenn sie über kein Vermögen verfügt (wobei üblicherweise ein Notgroschen von ca. CHF 10'000.00 nicht berücksichtigt wird). Zum Vermögen zählen auch veräusserbare Sachwerte (z.B. Luxusauto), Rückkaufwerte von Lebensversicherungen und Wertschriften. Grundstücke sind grundsätzlich ebenfalls zu berücksichtigen, wobei im Einzelfall abgewogen werden muss, ob eine Versilberung innert nützlicher Frist möglich ist oder nicht (z.B. Erhöhung der Hypothek).

Einkommen

Zur Gewährung der unentgeltlichen Rechtspflege darf die antragsstellende Person nicht oder nur knapp in der Lage sein, mit ihrem Nettoeinkommen ihren Bedarf zu decken. Kann die antragstellende Person ihren Bedarf knapp decken, so ist abzuwägen, ob sie deshalb in der Lage ist, die voraussichtlich anfallenden Kosten innerhalb angemessener Frist (normalerweise ein Jahr) zu tilgen. Als Einkommen gelten nur tatsächliche Einnahmen. Dazu zählen nebst dem Lohn auch die Zulagen, Vermögenserträge und Unterhaltsbeiträge (sofern diese tatsächlich bezahlt werden). Zur Berechnung des Bedarfs geht man vom betreibungsrechtlichen Existenzminimum aus (kantonal festgelegt durch Richtlinien) und erweitert dieses um die Steuern und situationsbedingt um einen Zuschlag von 10-30% auf den Grundbetrag. Dabei wird den Gerichten ein gewisses Ermessen eingeräumt.

5. Aussichtslosigkeit

Damit die Gerichtsprozesse nicht ausufern und Personen mangels finanzieller Risiken unnötige und querulatorische Verfahren hängig machen, wird die Gewährung der unentgeltlichen Rechtspflege weiter eingeschränkt. So wird diese nicht gewährt, wenn das Verfahren aussichtslos erscheint.

Damit die unentgeltliche Rechtspflege in Frage kommt, dürfen die Erfolgsaussichten zu Beginn des Verfahrens nicht erheblich geringer sein als die Verlustgefahr.

6. Gesuch

Das Gesuch um Gewährung der unentgeltlichen Rechtspflege ist schriftlich, begründet und mit den nötigen Unterlagen bei der für das Verfahren zuständigen Instanz einzureichen. Die Einkommens- und Vermögensverhältnisse sind dabei offenzulegen.

7. Nachzahlung

Die Formulierung «unentgeltlich» ist irreführend. Denn weder das Verfahren noch die Anwaltskosten werden vom Staat geschenkt. Vielmehr wird die Zahlungspflicht aufgeschoben.

Wurde die unentgeltliche Rechtspflege gewährt, so sind die angefallenen Kosten nachzubezahlen, sobald man dazu in den nächsten zehn Jahren dazu in der Lage ist.

8. Weitergehende Beratung

Sollten Sie Fragen zum Einzelfall haben oder eine Beratung benötigen, so stehen Ihnen die Experten von Legal Partners Zurich gerne zur Verfügung.

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Neue Regeln im Strassenverkehr

Februar 2021

Rechtsanwältinnen und Partnerinnen bei Legal Partners Zurich

Dr. iur. Flurina Hitz | Dr. iur. Seraina Denoth, LL.M. | M.A. HSG Martina Wiegers | MLaw Roland Graf

Am 1. Januar 2021 traten diverse neue Verkehrsregeln in Kraft, welche die Sicherheit erhöhen und den Verkehrsablauf flüssiger machen sollen. Auch bei den Führerausweisregelungen gibt es Neuigkeiten. Hier finden Sie einen Überblick über die wichtigsten neuen Verkehrsregeln.

1. Reissverschlussprinzip

Wenn eine Fahrspur abgebaut werden muss, ist das Reissverschlusssystem neu obligatorisch. Jeder Verkehrsteilnehmer soll beispielsweise beim Wechsel von drei auf zwei Fahrspuren, bei Unfällen oder bei Baustellen bis zum Ende der Spur fahren und dort erst einfädeln. Jeder Automobilist muss ein Fahrzeug von der abgebauten Spur einschwenken lassen. Damit soll verhindert werden, dass bei Spurabbauten zu früh auf die verbleibende Spur gewechselt wird und so der Verkehrsfluss behindert wird. Erzwingen darf der einfädelnde Automobilist die Lücke allerdings nicht, denn er hat weiterhin keinen Vortritt.

Neu gilt das Reissverschlusssystem bei stockendem Verkehr auch bei Autobahneinfahrten. Das Nichtbeachten des Reissverschlussprinzips wird mit einer Ordnungsbusse geahndet (Art. 8 Abs. 5 VRV und Art. 36 Abs. 4 VRV / OBV Ziff. 306).

 

2. Rettungsgasse

Bei Stau auf Autobahnen muss neu eine Rettungsgasse für Einsatzfahrzeuge freigehalten werden; dies bereits dann, wenn sich der Verkehr nur noch mit Schrittgeschwindigkeit bewegt. Das gilt auch, wenn kein Blaulichtfahrzeug zu sehen oder zu hören ist. Bei zweispurigen Strassen ist die Rettungsgasse zwischen den beiden Spuren zu bilden, bei dreispurigen Strassen immer zwischen dem linken und dem mittleren Fahrstreifen. Das Nichtbeachten der Rettungsgasse wird ebenfalls mit einer Ordnungsbusse geahndet (Art. 36 Abs. 7 VRV / OBV Ziff. 328).

3. Rechtsvorbeifahren

Neu dürfen Automobilisten bei Kolonnenverkehr[1] (welcher sich auf dem linken oder mittleren Fahrstreifen bildet) auf der rechten Spur mit der nötigen Vorsicht vorbeifahren, auch wenn sich rechts noch keine Kolonne gebildet hat. Das klassische Rechtsüberholen (Ausschwenken auf den rechten Fahrstreifen und Wiedereinschwenken nach links) ist hingegen weiterhin verboten und wird neu mit einer Ordnungsbusse von CHF 250.00 geahndet (Art. 36 Abs. 5 VRV / OBV Ziff. 314).

4. Rechtsabbiegen bei Rot für Velo und Mofa

Rad- und Mofafahrende dürfen neu an Ampeln bei Rot rechts abbiegen, sofern dies mit einer Tafel mit einem gelben Velo und einem Pfeil signalisiert ist. Fussgängerinnen und Fussgänger haben nach wie vor Vortritt. Wenn bei einer Ampel nichts signalisiert ist, gilt Rot auch für Velos und Mofas (Art. 69a Abs. 1 SSV).

 

5. Primarschulkinder mit Velo auf Trottoir

Bisher durften nur Kindergartenkinder mit Fahrrädern das Trottoir benutzen. Neu dürfen dies auch Kinder bis 12 Jahre - allerdings nur, wenn kein Radweg oder Radstreifen vorhanden ist. Fussgängerinnen und Fussgänger haben nach wie vor Vortritt (Art. 41 Abs. 4 VRV).

 

6. Automatisches Einparkieren

Moderne Fahrzeuge verfügen teilweise über Systeme, die das Einparkieren ohne Lenken des Fahrers ermöglichen. Neu dürfen die Fahrer nicht nur das Lenkrad loslassen, sondern sogar aussteigen, während das Auto selbständig einparkiert. Jedoch trägt der Fahrer zu jedem Zeitpunkt die Verantwortung für sein Fahrzeug und muss in der Lage sein, einzugreifen, falls das System versagt (Art. 3 Abs. 3bis VRV).

 

7. 100km/h für leichte Anhängerzüge

Wer mit Personen- oder Lieferwagen einen Anhänger zieht, darf auf Autobahnen neu höchstens mit 100 km/h nicht wie bisher mit 80 km/h fahren. Der Anhänger darf nicht schwerer als 3,5 Tonnen sein und muss für diese Geschwindigkeit geeignet sein. Dasselbe gilt auch für das Zugfahrzeug und die Reifen (Art. 5 Abs. 2 lit. c VRV).

 

8. Kostenpflichtige Parkplätze für E-Bikes

Motorfahrräder und E-Bikes mit elektrischer Unterstützung bis 45 km/h werden neu beim Parkieren gleichbehandelt wie Motorräder und können auf kostenpflichtige Parkplätze verwiesen werden (OBV Ziff. 622).

 

9. Für Motorradfahrer: Kein Direkteinstieg mehr in die unbeschränkte Kategorie A

Wer die leistungsstärksten Motorräder fahren will, muss künftig zuerst mindestens zwei Jahre ein auf 35 kW beschränktes Motorrad der Kategorie A fahren. Der Direkteinstieg in die stärkeren Motorradkategorien ist in Zukunft nur noch für Personen möglich, die berufsmässig auf das Führen solcher Motorräder angewiesen sind: Motorradmechaniker, Polizisten und Verkehrsexperten.

 

10. Lernfahrten ab 17 Jahren

Künftig gilt, dass wer den Lernfahrausweis für Personenwagen vor dem zurückgelegten 20. Altersjahr erwerben will, eine Lernphase von zwölf Monaten durchlaufen muss. Damit die Führerprüfung trotz der einjährigen Lernphase mit 18 absolviert werden kann, darf der Lernfahrausweis bereits im Alter von 17 Jahren erteilt werden. Für Personen, die den Lernfahrausweis nach dem 20. Geburtstag erwerben, gilt diese zwölfmonatige Lernphase nicht.

 

11. Weitergehende Beratung

Sollten Sie Fragen zum Einzelfall haben oder eine Beratung benötigen, so stehen Ihnen die Experten von Legal Partners Zurich gerne zur Verfügung.


[1] Kolonnenverkehr ist gemäss bundesgerichtlicher Rechtsprechung anhand der konkreten Verkehrssituation zu bestimmen. Paralleler Kolonnenverkehr ist bereits dann anzunehmen, wenn es auf der linken (und mittleren) Überholspur zu einer derartigen Verkehrsverdichtung kommt, dass Fahrzeuge auf der Überholspur faktisch nicht mehr schneller vorankommen als diejenigen auf der Normalspur (BGE 142 IV 93, E. 4.2.1).